Gemäss Werbetrend-Studie, die Publicom für die Handelszeitung durchgeführt hat, dürfte der Werbemarkt in den nächsten fünf Jahren vergleichsweise stärker wachsen als der Rest der Wirtschaft. Die grösste Herausforderung für alle Akteure wird dabei im Management der neuen (digitalen) Vielfalt bestehen.
Die traditionelle, jährlich durchgeführte Werbetrend-Studie der Handelszeitung wurde 2010 auf eine neue methodische Basis gestellt. Für die Konzeption der Studie und die Durchführung zeichnet neu Publicom verantwortlich. Im Zentrum stehen Gespräche mit Experten aus der Branche und der Wissenschaft. Diese werden ergänzt durch eine Befragung der 500 grössten Werbeauftraggeber sowie der BSW-Agenturen.
Publicom befragte online 255 Werbetreibende und sprach mit insgesamt 20 Expertinnen und Experten in der deutschen und welschen Schweiz über kurz- und mittelfristige Entwicklungen der Kommunikationsbranche. Dabei wurde deutlich, dass die Wirtschaftskrise der letzten beiden Jahre eine starke Verunsicherung hinterliess. Die Erwartungen bezüglich des Werbejahres 2010 sind denn auch entsprechend zurückhaltend. So lange nicht klar ist, wie rasch sich die Wirtschaft erholt, sind Prognosen mit grossen Unsicherheiten belastet. Fest steht indessen, dass der Werbemarkt erst mit einer gewissen Verzögerung auf die Wirtschaftserholung reagiert. Die meisten Experten erwarten deshalb eine Konsolidierung, im besten Fall ein leichtes Wachstum. Da einige der umsatzstärksten Unternehmen ihre Werbeinvestitionen im Vergleich zum Vorjahr nochmals heruntergefahren haben, dürften im laufenden Jahr vor allem kleinere und mittlere Unternehmen den Werbemarkt stützen.
Fragmentierung der Märkte erfordert höheren Werbeaufwand
Auf längere Sicht besteht jedoch durchaus Grund zum Optimismus. In den nächsten fünf Jahren dürfte der Kommunikationsmarkt im Vergleich zur Wirtschaftsentwicklung sogar überdurchschnittlich wachsen. Die zunehmende Fragmentierung der Märkte verlangt nämlich nach einem höheren Kommunikationsaufwand, um die Zielgruppen zu erreichen. Da es gleichzeitig immer mehr Kommunikationskanäle gibt, wird das Management dieser Vielfalt eine der zentralen Herausforderungen für die Branche.
Die Experten sind auch überzeugt, dass sich der Strukturwandel fortsetzen wird. Die Gewichte werden sich sowohl kurz als auch mittelfristig (bis 2015) weiter zu Gunsten der digitalen Medien verschieben. Hauptopfer sind die Printmedien, allen voran die abonnierten Tageszeitungen, denen neue Mediennutzungsgewohnheiten zu schaffen machen. Allerdings sind die Aussichten nicht für alle Printmedien düster. Die Sonntags- und die Wirtschaftspresse, sowie Special Interest Magazine bleiben für Werbetreibende vorläufig unverzichtbar. Auch das Fernsehen dürfte seine starke Position im Werbemarkt vorläufig behalten und kurzfristig sogar ausbauen.
Soziale Netzwerke sind kein Allheilmittel
Eine grosse zukünftige Bedeutung wird den mobilen Endgeräten zukommen. Diese lassen nicht nur ganz neue, orts- und kontextbasierte Werbung zu, sondern schaffen auch neue Möglichkeiten für den Transport von Inhalten. So wird z.B. erwartet, dass auch klassische Medien wie Fernsehen, Zeitungen oder Bücher zunehmend in digitaler Form über mobile Plattformen verbreitet werden. Zwar eröffnen sich in diesen Bereichen faszinierende neue Möglichkeiten für die Platzierung von Werbebotschaften, doch ist noch nicht absehbar, ob bzw. in welcher Form die Konsumenten diese akzeptieren.
Soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter u.ä. sind derzeit in der Branche ein grosses Thema. Ein Grossteil der Auftraggeber und Agenturen versucht bereits, diese in ihre Kommunikationskonzepte einzubinden. In Zukunft soll das noch viel stärker geschehen. Es zeigt sich aber bereits, dass soziale Netzwerke kein Allzweck-Kommunikationsinstrument sind. Zum einen behindern kurze Lebenszyklen der Plattformen die Entwicklung, zum anderen gelingt der Erfolg nur mit überzeugenden Ideen, die den Nutzern einen echten Mehrwert verschaffen. Die Entwicklung und Umsetzung solcher Konzepte ist aber kostspielig und mit erheblichen Risiken behaftet.
Mit der Digitalisierung nehmen auch die Zersplitterung der Rezipientenmärkte und die Informationsüberlastung der Individuen zu. Die Herstellung von genügender Reichweite könnte deshalb schwierig werden. Dies spricht für die „alten“ Medien, welche immer noch grosse Reichweitenvorteile haben, könnte aber auch Qualitätsmedien beflügeln, die über starke Markenidentitäten und entsprechende Glaubwürdigkeit bei den Konsumenten verfügen. Im Zuge dieser Entwicklungen werden Werte wie ‚Qualität‘, ‚Authentizität‘ und vor allem ‚Nachhaltigkeit‘ stark an Bedeutung gewinnen.
Methode:
Mehrmethoden-Untersuchung:
1) Expertenbefragung: Fachgespräche mit 20 Expertinnen und Experten der Kommunikationsbranche (DS/WS)
2) Branchenbefragung: Standardisierte Online-Befragung von 638 Werbe- bzw. Marketingverantwortlichen der 500 grössten werbetreibenden Unternehmen der Schweiz (Rücklauf: 32%), sowie CEOs von 98 Kommunikations- und Mediaagenturen (DS/WS) (Rücklauf: 55%)
Auftraggeber: Handelszeitung, Axel Springer (Schweiz) AG
Konzept und Realisation: Publicom AG, Kilchberg-Zürich
Dr. René Grossenbacher ist Medienwissenschaftler und CEO der Publicom AG, Beratung und Forschung für Medien und Kommunikation, Kilchberg-Zürich