Am Beispiel St. Gallen zeigt sich, dass regional marktbeherrschende Medienanbieter den Markteintritt eines neuen Konkurrenten massiv erschweren können. Ein im Auftrag von Radio/Tele Top erstelltes Gutachten weist nach, dass die Marketingmacht des dominanten Medienunternehmens der Konkurrenz wenig Chancen lässt.
In der Schweiz haben sich in den letzten Jahren die grossen regionalen Zeitungsverlage zu Multimediaunternehmen entwickelt. In manchen Räumen der deutschen Schweiz, etwa in den Wirtschaftsräumen Aarau, Chur, St. Gallen und Schaffhausen, bestehen mittlerweile regionale De-facto-Medienmonopole.
Unter dem Aspekt der bedrohten Meinungsvielfalt wurde bisher vor allem die politische Dimension dieser Problematik thematisiert. Die Medien verbreiten aber nicht nur politische Meinungen, sondern auch Images über Organisationen, Individuen und Produkte, und sie regen mit ihren Anzeigen das Publikum dazu an, bestimmte Angebote im Markt zu nutzen. Im Zeitalter der cross-medialen Verflechtungen wird dieses Potenzial auch zur Durchsetzung eigener Interessen eingesetzt. Es macht z.B. betriebswirtschaftlich in hohem Masse Sinn, die eigenen Medienprodukte gegenseitig zu bewerben, steht doch Werberaum in der Regel fast unbeschränkt und unentgeltlich zur Verfügung.
Ein regional dominierendes Medienunternehmen verfügt mit diesem Instrumentarium aber auch über ein Potenzial, Wettbewerb zu verhindern oder zumindest zu behindern, denn einem potenziellen Wettbewerber steht dieses Instrumentarium ja allenfalls teilweise zur Verfügung.
Die Bedeutung des Marketings sowohl für etablierte als auch für neue Medien hat in den letzten Jahren kontinuierlich an Bedeutung gewonnen. So zeigt die Publicom-Studie „Programminnovationen in lokalen Radiomärkten“, dass ein neuer Anbieter, dem nur geringe Marketingmittel zur Verfügung stehen, trotz einem vorhandenen Publikumspotenzial kaum Erfolgschancen hat.
Diese Ausgangslage findet sich in der Schweiz in allen Regionen, in denen ein regionales De-facto-Medienmonopol besteht, und in denen ein neuer Anbieter auftritt, so auch im Raum St. Gallen. Inwiefern die dort dominierende St. Galler-Tagblatt-Gruppe ihr Marketingpotenzial einsetzt, wurde anhand einer Analyse des St. Galler Tagblatts im Zeitraum vom 1.10.2000 bis 30.09.2001 überprüft.
Eigene Medien erhalten dreimal soviel Beachtung wie Konkurrenz
Das St.Galler Tagblatt berichtet über die eigenen Medien häufiger und prominenter als über die Konkurrenz: vor allem Tele Ostschweiz erhält grosse Aufmerksamkeit im redaktionellen Teil. Die eigenen elektronischen Medien erhalten mehr als dreimal soviel redaktionelle Beachtung wie die Konkurrenz von Radio Top und Tele Top.
Zwar sind in Sachen Gewichtung die eigenen Medien klar im Vorteil, es kann jedoch nicht a priori gesagt werden, dass die Konkurrenz schlecht gemacht wird. Allerdings sind bemerkenswerte Nuancen festzustellen. Während bei den Tagblatt-Medien die gute Qualität der Programme im Vordergrund steht, wird bei den Top-Medien die wirtschaftliche Dynamik betont. Auch wird der Sender als eher unsympathisch dargestellt.
Programmhinweise: Konkurrenz wird totgeschwiegen
Während im redaktionellen Teil offenbar die Massnahmen der journalistischen Qualitätssicherung eine offensichtlich unfaire Behandlung der Konkurrenz weitgehend verhindern, spielt dieser Mechanismus bei den Programmhinweisen der Medienseite weit weniger: Hinter SF1 und Arte erreicht Tele Ostschweiz am meisten Programmhinweise, während auf Tele Top überhaupt nie und auf Radio Top nur ein einziges Mal hingewiesen wird. Zweifellos kann diese massive Bevorzugung des eigenen Senders weder mit journalistischen Kriterien noch mit der Zuschauergunst legitimiert werden. Einzig unternehmerische Erwägungen vermögen dies zu begründen. Durch die Ausgrenzung eines wichtigen Wettbewerbers sollen hier offensichtlich unerwünschte Werbeeffekte ausgeschlossen werden. Der Werbewert dieser Massnahmen für Tele Ostschweiz und Radio aktuell erreicht den Betrag von rund CHF 750’000 in zwölf Monaten.
Wert der Eigeninserate und Programmhinweise: CHF 1.7 Mio pro Jahr
Schliesslich setzt das St. Galler Tagblatt auch das Instrument „Anzeige“ für die Promotion der eigenen elektronischen Angebote in grossem Stile ein: Der Gesamtwert dieser Anzeigen liegt über CHF 900’000. Sowohl Tele Ostschweiz als auch Radio aktuell befinden sich unter den acht Unternehmen mit der grössten Werbeintensität im St. Galler Tagblatt und noch vor Unternehmen wie Diax, Sunrise und der Post. Welch enormer Werbedruck hier erzeugt wird, wird deutlich, wenn der Werbewert der Programmhinweise hinzugerechnet wird. So betrachtet, platzieren sich die elektronischen Medien der Tagblatt- Gruppe mit CHF 1.67 Mio direkt hinter den beiden Grossverteilern Migros und Coop und noch vor Swisscom. Ein Betrag, der im übrigen fast einem Viertel des Gesamtaufwandes der beiden Stationen entspricht.
Die Ergebnisse zeigen, dass es wenig sinnvoll ist, über die Konzessionierungspolitik publizistischen Wettbewerb zu ermöglichen, wenn dieser sich dann nicht entfalten kann. Von den dominierenden Medienhäusern kann auch nicht erwartet werden, dass diese ihren unternehmerischen Spielraum nicht ausschöpfen, so lange sie damit nicht gegen rechtliche Schranken verstossen. Und offensichtlich darf, wie das Beispiel St. Galler Tagblatt zeigt, auch nicht erwartet werden, dass journalistische Selektionskriterien eine Selbstregulierung bewirken. Vielmehr muss damit gerechnet werden, dass auch die Redaktionen in den Dienst des Medienmarketings gestellt werden. Die Medienpolitik täte gut daran, diesem Problem künftig vermehrte Beachtung zu schenken.