Zusammenfassung
Die Programmanalyse der privaten Veranstalter 2012 berücksichtigte schweizweit 42 Programme. Zum Vergleich wurden in der Deutschschweiz die sieben entsprechenden Regionalprogramme von Radio DRS einbezogen.¹
Die Privatradios der einzelnen Landesteile decken ein breites Spektrum an Programmstrukturen und –strategien ab. In manchen Regionen führt dies zu komplementären Ausrichtungen. Die Differenzierungsmerkmale wie Musikformat, Themen-Mix und geografische Schwerpunktsetzung spielen dabei insbesondere in den Regionen Bern, Zentralschweiz, Basel, Zürich, Tessin und Genferseeregion eine wichtige Rolle. Die privaten Radios strahlen im Schnitt gleich viele Regionalinformationen aus wie die Deutschschweizer SRG-Regionalprogramme. Die Unterschiede sind aber beträchtlich. Insbesondere in der Romandie haben regionale Informationen meistens einen höheren Stellenwert als in der Deutschschweiz, was auch daran liegt, dass dort die SRG keine Regionalprogramme ausstrahlt.
Marktsegmentierung und komplementäre Programmlandschaften
Die Schweizer Radiolandschaft erweist sich in jedem einzelnen Landesteil als komplementär und vielfältig. Dabei spielen verschiedene Zielgruppenstrategien eine Rolle, die durch unterschiedliche Musikformate, regionale Informationsleistungen und thematische Akzente charakterisiert sind.
Musikalisch gesehen segmentiert sich jeder Landesteil durch Radiosender, die entweder in hohem Rhythmus aktuelle Pop-Hits spielen und damit eine eher jüngere Hörerschaft erreichen, oder ältere Musik, für das mittlere Alterssegment. Energy Basel, Energy Bern, Radio 105 und GRRIF verkörpern dabei typische „junge“ Radios, während Radio Basilik, Radio 1, Radio Central, Capital FM und die BNJ-Fensterprogramme (RFJ, RJB und RTN) ein etwas älteres Publikum anpeilen.
Im Allgemeinen geniesst das Wort bzw. die Information in der südlichen Deutschschweiz einen höheren Stellenwert als in der übrigen deutschen Schweiz und erreicht bei Radio Central, den höchsten Anteil in der Prime Time. Aber auch Veranstalter wie Rottu, BeO, Radio 1 und die Gebührenradios der Romandie stellen ein beachtliches Informationsangebot bereit.
Romandie: Gebühren begünstigen (regionale) Informationsproduktion
Im Unterschied zu den Privatradios der Lateinischen Schweiz gibt es vor allem in der Deutschschweiz, wo die SRG Regionalprogramme ausstrahlt, Veranstalter, deren Informationsschwerpunkt nicht im Regionalen, sondern beim nationalen und internationalen Geschehen liegt. Am deutlichsten ist dies bei Radio Argovia, Radio 24 und Radio 1 der Fall – also insbesondere bei Veranstaltern der nördlichen Deutschschweiz.
Der Informationsanteil am Gesamtprogramm der Prime Time schwankt bei den deutschschweizerischen Privatradios zwischen 9% (Radio 105²) und 35% (Central), in der Romandie zwischen 10% (GRRIF und Rouge FM) und 29% (RTN, Fribourg). Während in der Romandie Sender, die Gebühren erhalten, rund doppelt so viele Informationen ausstrahlen wie die Programme, die ausschliesslich über Werbung finanziert werden müssen, ist dieser Zusammenhang in der deutschen Schweiz nicht so klar: Radio Central, das von allen Schweizer Privatradios am meisten Informationen ausstrahlt (49 Minuten pro Werktag), erhält sogar überhaupt keine Gebührenanteile. Im Tessin dagegen haben die beiden Privatsender, Radio 3iii und Radio Fiume trotz Gebühren nur einen Informationsanteil von 10% und liegen am untersten Ende der konzessionierten Schweizer Privatprogramme.
Nicht alle Kommunikationsräume werden publizistisch erschlossen
Eine geografische Schwerpunktsetzung innerhalb der Versorgungsräume ist in der gesamten Schweiz offenbar unumgänglich, insbesondere in Konzessionsgebieten mit Ausdehnung über mehrere Kommunikationsräume. Dies hat zur Folge, dass über einzelne Gebiete nur wenig oder gar nicht berichtet wird. Komplementäre Ausrichtungen gibt es nur in Gebieten, wo mehrere Stationen operieren. Doch auch durch eine solche publizistische Gebietsaufteilung gelingt es nicht, alle im Konzessionsgebiet gelegenen Kommunikationsräume zu erschliessen. So gehören etwa das Fricktal, das Glarnerland, Willisau/Sursee gemeinsam mit weiten Teilen des Graubündens zu den „Blind Spots“, worüber nur wenig oder gar nicht berichtet wird. Die SRF-Regionalprogramme vermögen diese Lücken auch nicht zu schliessen. Dieses Ergebnis macht auch deutlich, dass aktuelle Medien in hohem Masse von „Ereignisproduktion“ abhängig sind. Periphere Regionen ohne urbane Zentren und wichtige politische Institutionen werden deshalb häufig aus der Medienrealität ausgeblendet.
Thematische Akzentuierung zur Abgrenzung und Profilierung
Unterschiedliche thematische Akzentuierungen verhelfen insbesondere Programmen, die in direktem Wettbewerb stehen, zur Abgrenzung und Profilierung. Thematisch decken die meisten Privatradios in der Schweiz ein breites Feld ab, wobei z.T. grosse Unterschiede feststellbar sind. Die politischen Themen haben in der Regel den grössten Stellenwert, obwohl sie in der Lateinischen Schweiz (ausser bei Radio Chablais) eine etwas weniger wichtige Rolle spielen. Schliesslich gewichten Veranstalter mit jüngerem Publikum Gesellschafts- und Kulturthemen etwas höher. Sport und Boulevardthemen behandeln die Sender generell sehr unterschiedlich. Im Vergleich zu den SRF-Regionalprogrammen, deren Informationsangebot von politischen Themen dominiert wird, bieten die Privaten fast durchwegs eine grössere thematische Vielfalt.
Sehr unterschiedliche qualitative Leistungen
Was die qualitativen Merkmale der Informationen anbelangt, sind die Leistungen der Privatradios sehr unterschiedlich. Sowohl punkto formale Vielfalt als auch Orientierungsleistung setzt Radio 1 Massstäbe. Kaum ein anderes Privatradio erbringt eine vergleichbare Leistung, was Meinungs- bzw. Perspektivenspektrums eines thematischen Kontexts angeht. Nicht einmal die SRF-Regionalprogramme. Andere Privatstationen (Rottu, Sunshine, Rouge FM, LFM) verzichten fast gänzlich auf diese Dienstleistung am Hörer. Dafür beherzigen einzelne (105 und Sunshine) die Transparenznorm überdurchschnittlich gut, sogar besser als die Öffentlichen. Diese wiederum setzen dafür die verschiedenen journalistischen Formen variantenreicher ein. Eine solche aufwendigere Bereitstellung von Informationen gelingt unter den Privaten nur Energy Bern, Radio Fribourg und Radio 1.
Eine unverkennbare Tendenz zu behördennaher Berichterstattung ist bei den meisten Privatradios, insbesondere der Deutschschweiz erkennbar. Am wenigsten behördennah berichten Radio Chablais und Radio Grischa. Punkto Behördennähe bewegen sich die öffentlichen Regionalprogramme von Radio DRS im mittleren Bereich.
¹ Seit anfangs 2013: Radio SRF
² Radio 105 operiert mit einer Konzession, die den Programmauftrag anders formuliert als bei den übrigen Radios. Insbesondere fehlt die zeitliche Eingrenzung der Information auf die Prime Time an Werktagen.
Bericht „Programmanalyse Privatradios Deutschschweiz Nord“ herunterladen
Bericht „Programmanalyse Privatradios Deutschschweiz Süd“ herunterladen
Bericht „Programmanalyse Privatradios Lateinische Schweiz“ herunterladen