Die Privatradioanalyse 2011 konzentrierte sich auf die Regionen Basel, Aargau-Solothurn und Zentralschweiz. Die sieben untersuchten Privatradios versuchen mit teilweise sehr unterschiedlichen Programmstrategien zum Erfolg zu kommen. Das vom Gesetzgeber vorgegebene Ziel einer umfassenden Berücksichtigung des Konzessionsgebietes erreichen die Privaten jedoch ebenso wenig wie die Regionalprogramme der SRG.
Die untersuchten Programme reflektieren zum Teil unterschiedliche Programmphilosophien: Während einige Anbieter eine Differenzierungsstrategie einschlagen, setzen andere auf eine geografische Fokussierung, wieder andere suchen den Erfolg in der Angleichung der Programme an andere Wettbewerber. Hinsichtlich Produktion von regionalen Informationen ist das (quantitative) Leistungsniveau aber über alle Regionen und Programme ziemlich homogen. Die tägliche Produktion von Regionalinformation liegt bei den Privatprogrammen in der Prime Time zwischen 20 und 25 Minuten, bei Radio DRS 1 zwischen 26 und 31 Minuten. Nur ein Programm, Radio Central, bietet seinem Publikum mit 39 Minuten markant mehr Regionalstoff. Die Gewichtung der regionalen Information im Verhältnis zur nationalen und internationalen Berichterstattung ist aber sehr unterschiedlich. Gemäss Konzession müssten die privaten Radios „vorwiegend“ über regionales Geschehen informieren. Nur Radio Basilisk und Radio 32 widmen aber mehr als 50% ihrer Informationsproduktion regionalen Ereignissen. Vielmehr versuchen die Radios möglichst umfassend über regionale, nationale und internationale Ereignisse zu berichten.
Wenig thematisierte Kultur
In den untersuchten Regionen profitiert das Publikum von einer beachtlichen Programmvielfalt. Mit den DRS-Regionalprogrammen bietet sich dem Publikum aller Regionen die Option eines wort- bzw. informationsbetonten Programms, das einen klaren Schwerpunkt auf internationale und nationale Politik legt. Zur regionalen Programmvielfalt tragen aber – neben teilweise unter-schiedlichen Musikformaten – auch thematische Schwerpunktsetzungen der privaten Anbieter bei. Im Allgemeinen ist die thematische Vielfalt bei den Privatprogrammen grösser als bei DRS 1, das stark auf Politik fokussiert ist. Daher setzt im Raum Basel Radio Basilisk mit einem hohen Sportanteil einen anderen Akzent, während das ehemalige Radio Basel* eher auf Gesellschaftsthemen setzt. Im Mittelland grenzt sich Argovia durch einen emotionalen, viel Boulevard enthaltenden Themenmix von den anderen Angeboten ab, und in der Zentralschweiz profiliert sich Central ebenfalls mit Sport. Kultur findet aber in den meisten Programmen (inkl. DRS) kaum statt. Nur bei Radio Argovia, Basel und Pilatus übersteigt der Kulturanteil die Fünfprozent-Hürde. Da auch entsprechende Services (z.B. Veranstaltungshinweise) eher selten sind, dürften weder die privaten noch öffentlichen Regionalprogramme dieser Region gross zur „Entfaltung des kulturellen Lebens im Versorgungsgebiet“ (Art. 4 Konzession) beitragen.
Verbesserungsfähige Orientierungsleistung
Im Allgemeinen ist die Information auf DRS 1 abwechslungsreicher und formal vielfältiger gestaltet als auf den Privatprogrammen. Die Leistung der Privaten ist diesbezüglich aber unterschiedlich: Während Basilisk, Sunshine und Pilatus sich meistens damit begnügen, Kurzmeldungen mit O-Ton-Statements zu versehen, bemühen sich z.B. Argovia oder Radio Basel um eine abwechslungsreichere Informationsaufbereitung, die z.B. auch Hintergrundberichte, Interviews oder längere Reportagen umfassen.
Stark verbesserungsfähig ist bei allen Programmen die Orientierungsleistung. Das Aufzeigen des Meinungs- und Perspektivenspektrums zu kontroversen Themen verursacht zweifellos einen höheren Bearbeitungsaufwand als das Wiedergeben von Verlautbarungen, ist aber für das Publikum auch mit einem weitaus höheren Nutzen verbunden. Entsprechende Anstrengungen sind aber fast nur bei den DRS-Programmen und den beiden Basler Privatradios zu erkennen, während sie bei Central, Sunshine und Argovia praktisch fehlen. Immerhin bemühen sich alle Programmanbieter um eine zwischen den verschiedenen politischen Interessen ausgewogene Berichterstattung, in dem sie die entsprechenden Akteure etwa gleichmässig darstellen bzw. zu Wort kommen lassen. Einzelne Abweichungen von dieser Norm können mit besonderen Ereigniskonstellationen erklärt werden. Eine Tendenz zur Behördennähe ist aber bei den meisten Anbietern auszumachen. Nur Radio Basel, DRS 1/Basel und Radio Central widerstehen ihr erfolgreich.
Unterschiedlich wird die Berufsnorm der Quellentransparenz gehandhabt. Die Privatradios respektieren diese in zwei von drei Räumen eher als die Regionalprogramme von DRS 1. Sowohl die beiden Basler Privatradios als auch Argovia und Radio 32 legen ihre Quellen gegenüber dem Publikum konsequenter offen als dies DRS 1 und die privaten Zentralschweizer Radioschaffenden tun. Auffällig ist, dass die entsprechende Berufspraxis offenbar regionalen Gesetzmässigkeiten folgt. Ob dies dem Zufall oder einer regionalen Co-Orientierung geschuldet ist, muss offen bleiben. Es zeigt aber zumindest, dass es in Sachen Quellenumgang keine homogene Berufskultur gibt.
Publizistisch unterversorgt: Fricktal, Willisau/Sursee, Freiamt
Die konzessionsrechtliche Forderung nach Berücksichtigung des gesamten Versorgungsgebietes wird von kaum einem Programm erfüllt. Verständlicherweise folgt die Verteilung der geografischen Aufmerksamkeit primär der Logik der Ereignisentstehung: Die urbanen Zentren der Konzessionsgebiete erhalten mehr Aufmerksamkeit als periphere Regionen. Dennoch gibt es Unterschiede zwischen den Radios. Im Raum Basel konzentrieren sich die Anbieter zwar auf die Stadt und den Kommunikationsraum Basel, doch berichtet Radio Basilisk häufiger als Radio Basel auch über Geschehen in anderen Regionen des Konzessionsgebietes. Im Raum Aargau-Solothurn berücksichtigt Radio 32 sein Versorgungsgebiet gleichmässiger als Radio Argovia. Die Schwierigkeit, ein grosses Konzessionsgebiet publizistisch umfassend abzudecken, zeigt sich exemplarisch am Raum Zentralschweiz. Auch dort konzentrieren sich die drei privaten Anbieter auf das Zentrum Luzern bzw. den Kommunikationsraum Luzern, doch richten sich Sunshine (Zug) und Central (Schwyz) noch auf einen zweiten geografischen Schwerpunkt aus. Dennoch geraten einzelne Kommunikationsräume wie z.B. Obwalden oder Willisau/Sursee kaum je ins Blickfeld der regionalen Redaktionen. Insgesamt wird somit die Region Zentralschweiz publizistisch nur sehr ungleichmässig versorgt.
Auch die Regionalprogramme von Radio DRS vermögen sich den Mechanismen der Nachrichtenproduktion nicht zu entziehen und berichten keineswegs umfassender als die Privaten über ihre Versorgungsgebiete. Insgesamt führt dies aber auch dazu, dass einzelne Regionen mit teilweise beträchtlichen Wohnbevölkerungen radiopublizistisch kaum versorgt sind. Insbesondere sind dies die Kommunikationsräume Fricktal, Willisau/Sursee und Freiamt.
Wenngleich die privaten und öffentlichen Regionalprogramme nicht alle medienpolitischen Erwartungen erfüllen, tragen sie in den untersuchten Regionen doch zu einer beachtlichen medialen Vielfalt bei. Diese manifestiert sich u.a. in verschiedenen Programmkonzeptionen, thematischen Akzentuierungen und geografischen Schwerpunktsetzungen. Andererseits sind aber auch Homogenisierungstendenzen zu beobachten. Dies betrifft hauptsächlich die Musikformate. Insbesondere in den Regionen Aargau-Solothurn und Zentralschweiz führt dies zu einem Verlust an Vielfalt. Radio 32 und Argovia, sowie noch stärker Pilatus und Sunshine praktizieren derart ähnliche Musikformate, dass die Auswahloptionen des Publikums zumindest in diesem Punkt arg eingeschränkt sind.
* Radio Basel wurde 2012 zu Energy Basel umfirmiert und einem kompletten Relaunch unterzogen. Die Ergebnisse beziehen sich auf die Situation vor dem Relaunch.