Staatskommunikation und Medien – die ungleichen siamesischen Zwillinge

In: Bernhard Ehrenzeller, Urs Saxer [Hg.]: St. Galler Tagung zur Öffentlichkeitskommunikation des Staates. St. Gallen 2010

In der Praxis erweist sich die Beziehung zwischen Journalismus und PR immer wieder als problematisch. Zweifellos besteht eine nicht geringe gegenseitige Abhängigkeit, denn die Medien sind ohne die  Zulieferungen der Öffentlichkeitsarbeiter immer weniger in der Lage, das Weltgeschehen adäquat abzubilden. Andererseits ist Public Relations auf die Multiplikatorleistungen des  Mediensystems angewiesen. Doch lässt sich nicht verhehlen, dass es in der strukturellen Logik der Öffentlichkeitsarbeit liegt, die Medien für die eigenen Interessen zu instrumentalisieren.

 

Staatliche Öffentlichkeitsarbeit und Medien – eine problematische Beziehung

Noch immer gelten die Medien als wichtiger Garant für das Funktionieren eines demokratischen Staatswesens. Indem sie den öffentlichen Diskurs über politische und gesellschaftliche Sachverhalte ermöglichen, tragen sie entscheidend zur politischen Partizipation der Bürgerinnen und Bürger bei. Die Pressefreiheit hat nicht zuletzt auch zum Zweck, verschiedenen Meinungen Öffentlichkeit zu verschaffen, und auf diese Weise zum demokratischen Interessenausgleich beizutragen. Das Selbstverständnis der Medien geht allerdings noch viel weiter, nehmen diese doch für sich in Anspruch, das öffentliche Interesse schlechthin zu vertreten, und die mächtigen Institutionen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft kritisch zu beobachten, sowie, etwa durch Integrationsleistungen, direkt zum Erhalt des Staatswesens beizutragen. Nicht zuletzt mit diesen wichtigen demokratischen Funktionen werden Privilegien, welche die Medien in unserer Gesellschaft geniessen, legitimiert: So wird etwa die SRG über die Erhebung von Zwangsgebühren beim Konsumenten finanziert. Auch die privaten Rundfunkveranstalter erhalten substanzielle Zuwendungen aus dem Gebührenaufkommen, die nicht selten höher sind als die im Werbemarkt erwirtschafteten Mittel. Überdies werden sie durch die Konzessionierungspolitik vor Konkurrenz geschützt. Die Zeitungen schliesslich werden indirekt, über die Verbilligung der Posttarife, subventioniert.

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Medienlandschaft in der Schweiz massiv erweitert und verändert. Galt früher die politische Presse als Garant der Demokratie, beanspruchen mittlerweile – neben der SRG – eine Vielzahl von privaten Radio- und Fernsehstationen, einen „Service public“ zu leisten. Das Internet schliesslich ist zu einem Massenmedium geworden, das sich im Publikum insbesondere auch als Informationsmedium etabliert hat. Parallel zur explosionsartigen Entwicklung des Mediensystems hat die Gesellschaft – in ähnlicher Geschwindigkeit oder sogar noch schneller – weitere Kommunikationsstrukturen ausgebildet, zu denen auch die Public Relations gehört. Von dieser Entwicklung wurden in den letzten zwei Jahrzehnten auch die staatlichen Organismen, und zwar sogar in besonderem Masse, erfasst (vgl. RÖTTGER, Ulrike /HOFFMANN, Jochen /JARREN, Otfried: Public Relations in der Schweiz. Eine empirische Studie zum Berufsfeld Öffentlichkeitsarbeit. Konstanz 2003). Die Publizistikwissenschaft interpretierte diese sich rasch ausbreitenden parallelen Kommunikationsstrukturen zunächst als konkurrierende, später als komplementäre Systeme (vgl. RUSS-MOHL, Stephan: PR und Journalismus in der Aufmerksamkeitsökonomie. In: Raupp, Juliana/ Klewes, Joachim (Hrsg.): Quo vadis Public Relations? Auf dem Weg zum Kommunikationsmanagement: Bestandesaufnahme und Entwicklungen. Festschrift für Barbara Baerns. Wiesbaden: S. 52).

In der Praxis erweist sich die Beziehung zwischen Journalismus und PR immer wieder als problematisch, und zwar unabhängig davon, welchem gesellschaftlichen Subsystem die PR-Akteure angehören. Ulrich Saxer sprach in diesem Zusammenhang von siamesischen Zwillingen. Zweifellos besteht eine nicht geringe gegenseitige Abhängigkeit, denn die Medien sind ohne die Zulieferungen der Öffentlichkeitsarbeiter immer weniger in der Lage, das Weltgeschehen adäquat abzubilden. Andererseits ist Public Relations auf die Multiplikatorleistungen des Mediensystems angewiesen. Doch lässt sich nicht verhehlen, dass es in der strukturellen Logik der Öffentlichkeitsarbeit liegt, die Medien für die eigenen Interessen zu instrumentalisieren.

 

Medien im Dienst staatlichen Kommunikationsmanagements

Mit der zunehmenden Ökonomisierung der Medien, die gleichzeitig mit einer Verschärfung des medialen Wettbewerbs einhergeht, sind diese für Vereinnahmungsversuche v.a. auch kommerzieller Art anfälliger geworden. Manche, unter wirtschaftlichem Druck stehende Medienhäuser sehen in der „Hybridisierung der Medien“ (GROSSENBACHER, René (2006): Vorsicht Falle! Hybrider Journalismus – Rettungsanker der Printmedien? In: Impresso 1/2006, S. 11) geradezu ein neues Geschäftsmodell, mit dem Einnahmeausfälle im Zeitungsbereich kompensiert werden sollen. Doch Medien benötigen zur Sicherung der eigenen Existenz nicht nur finanzielle Quellen, sondern auch Informationen, die – wie die bisherige Forschung zeigt – zu einem grossen Teil aus Medienstellen von Wirtschaft, Politik und Verwaltung stammen.

In der Folge werden die Befunde einer von der Publicom AG durchgeführten und vom Bundesamt für Kommunikation finanzierten, in Form einer Input-Output-Analyse realisierten Studie (GROSSENBACHER, René et al.: Politische Öffentlichkeitsarbeit in regionalen Medien. Publicom AG, Kilchberg-Zürich, 2006) zur staatlichen Öffentlichkeitsarbeit der Kantone Zürich und St. Gallen resümiert. Die Resultate zeigen zunächst mit aller Deutlichkeit auf, wie stark Medien und PR miteinander verwoben sind, denn was als Medienleistung erscheint, ist zu einem beträchtlichen Teil PR-Leistung: In gut der Hälfte der Berichterstattung über das an den Medienkonferenzen vermittelte Geschehen der Kantone St. Gallen und Zürich ist keinerlei inhaltliche Eigenleistung der Medien zu erkennen. Vielmehr handelt es sich um die unveränderte oder lediglich gekürzte Fassung der von den Medienstellen abgegebenen Texte. Eine völlig eigenständige Berichterstattung, die sich nicht auf die PR-Textvorlagen abstützt, ist nur in 13% der Fälle feststellbar. Auch Nachrecherchen finden eher selten statt. Sie sind v.a. dann zu beobachten, wenn kein oder nur ungenügendes schriftliches Informationsmaterial zur Verfügung steht.

Der Reiz hybrider Formen (Als „hybride“ Werbung werden z.B. Product Placement, Sponsoring oder neue Formen wie „Branded Entertainment“ verstanden) besteht für die Kommunikatoren gerade darin, dass das Publikum sie nicht als solche zu erkennen vermag. Das dürfte in der Politik nicht anders sein als im Marketing. Und wie im Marketing erweisen sich auch in der Politik die Medienleute als engste Verbündete der interessengeleiteten Kommunikatoren, indem sie dem Publikum die Einsicht in die Entstehungszusammenhänge der Beiträge verwehren. Nur gerade in jedem fünften Beitrag über die kantonalen Medienkonferenzen wird korrekt deklariert, dass die Quelle der Berichterstattung eine Medienkonferenz ist. Stattdessen vermitteln die meisten Beiträge den Eindruck, sie beruhen auf Eigeninitiative des Mediums. Von welcher Organisation oder von welchen Personen die Informationen stammen, bleibt in jedem vierten Beitrag völlig im Dunkeln.

Die starke Abstützung auf die Informationsmaterialien der Medienstellen dient den Medien zunächst der Effizienzsteigerung, wogegen grundsätzlich nichts einzuwenden ist, solange dadurch die Informationsqualität nicht leidet. Nun ist aber Behördenkommunikation nicht einfach wertfrei, sondern dient auch dazu, die Interessen der Regierung zu vertreten. Dazu gehört auch, die politischen Akteure, ihre Entscheidungen und Handlungen in einem möglichst positiven Licht darzustellen. Die Analyse der an den Medienkonferenzen abgegebenen Informationsmaterialien zeigt dies mit aller Deutlichkeit: Nur gerade 16% der Texte sind neutral bezüglich der Veranstalter. Jedoch enthalten 83% Äusserungen, welche die kantonalen Behörden bzw. ihre Repräsentanten positiv qualifizieren. Selbstkritische Töne werden zwar manchmal auch angeschlagen, aber sehr selten. Bemerkenswerterweise gibt es zwischen den beiden Kantonen diesbezüglich kaum Unterschiede.

Nun besagt dies natürlich noch nicht, dass die Berichterstattung über die Regierungsaktivitäten ebenso wohlwollend ausfällt, wenngleich die starke Abstützung der Medienschaffenden auf die Pressetexte eine Vermutung in dieser Richtung nahe legt. Tatsächlich erwachsen den kantonalen Behörden durch ihre Medienarbeit deutlich positive Reputationseffekte, in St. Gallen sogar noch etwas stärker als in Zürich. Zwar wird – kaum überraschend – die positive Selbstdarstellung in den Medien etwas abgeschwächt, doch resultiert lediglich aus zwei Medienkonferenzen eine schwach behördenkritische Berichterstattung, wohingegen vier Fünftel zu einem positiven Bild der kantonalen Behörden beitragen.

Die Öffentlichkeitsarbeit der kantonalen Behörden kann ihre Interpretation der Regierungstätigkeit gegenüber den Medien weitgehend durchsetzen, und so vermag es kaum zu erstaunen, dass die PR-Akteure auch das Themen-Management im Griff haben: Die überwiegende Mehrheit der Medienkonferenzen führt zu einer Berichterstattung, bei der das dominante Thema mit dem Hauptthema der Medienkonferenz identisch ist, d.h. es finden keinerlei Umgewichtungen oder neue thematische Interpretationen des präsentierten Stoffes statt. Dass dies dennoch bei etwa jeder siebten Medienkonferenz vorkommt, zeigt aber bereits, dass das Mediensystem nicht einfach ein Transmissionsriemen der Öffentlichkeitsarbeit ist, sondern von Fall zu Fall durchaus zur Eigenleistung bereit ist. Dies geschieht etwa bei ereignisnahen Themen, die eine höhere Aufmerksamkeit des Publikums versprechen als die von den PR-Akteuren präsentierten. Exemplarisch lässt sich dies am Beispiel der Jahresmedienkonferenz der Strafanstalt Saxerriet aufzeigen: Obwohl der Ausländeranteil im Strafvollzug nur am Rande erwähnt wurde, mutierte dieser Aspekt zum Hauptthema der Berichterstattung. Insbesondere bei kontroversen Themen nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass die Medien jene Aspekte höher gewichten, denen sie ein höheres Aufmerksamkeitspotenzial zubilligen. Eigenleistung wird aber auch dort sichtbar, wo der Informationsinput der Medienstellen den Anforderungen der Medien nicht genügt oder wo besonders kontroverse Sachverhalte vorherrschen.

 

Medienleistungen

Die staatliche Öffentlichkeitsarbeit kann allerdings nicht damit rechnen, dass ihr Themenangebot vollständig angenommen wird: Nebenthemen haben nämlich eine deutlich geringere Chance auf Veröffentlichung. Die Medien reduzieren das an einer Medienkonferenz präsentierte Themenangebot und berichten in der Regel nur über das Hauptthema. Darin deutet sich bereits die Hauptfunktion des Mediensystems an, nämlich Selektion und Reduktion.

Eine starke Selektion findet zunächst einmal auf Ebene der Medienkonferenzen statt. Zwar können die kantonalen Behörden, die eine Medienkonferenz veranstalten, in der Regel mit Berichterstattung rechnen, doch der Output schwankt erheblich – je nach Ereignis. Auf diesen quantitativen Erfolg der Medienkonferenzen hat die Öffentlichkeitsarbeit nur einen geringen Einfluss. Eine professionelle Aufbereitung des Informationsmaterials ist sicher eine notwendige Voraussetzung, die jedoch in den meisten Fällen gegeben ist. Einen starken Einfluss hat indessen die Anwesenheit von Presseagenturen an der Medienkonferenz. Wo solche anwesend sind, verdoppelt sich der Output in den Medien. Darin spiegelt sich zum einen die Multiplikatorfunktion der Presseagenturen, andererseits haben die Agenturen im Mediensystem wohl eine Art „Leuchtturm-Funktion“, indem sie die Aufmerksamkeit für die rapportierten Ereignisse erhöhen und deren Relevanz unterstreichen.

Alles entscheidend für den quantitativen Erfolg einer Medienkonferenz ist aber die Attraktivität der vermittelten Thematik aus Sicht der Medien. Klassische Nachrichtenwerte wie ‚Konflikt‘, ‚Persönlichkeit‘, ‚Emotion‘ usw. spielen dabei sicher eine Rolle, manches deutet aber darauf hin, dass der Themen-Kontext und die Vorgeschichte, die Themenkarriere, von zunehmender Bedeutung sind. Ist ein Themen-„Frame“ bereits etabliert (z.B. Kampfhunde, Vogelgrippe, Ausländerkriminalität, etc.), ist das Aufmerksamkeitspotenzial für Themen, die sich in diesem Kontext bearbeiten lassen, höher als wenn dies nicht der Fall ist.

Neben der Relevanzbewertung und der Selektion der an den Medienkonferenzen präsentierten Inhalte gehört insbesondere auch die Informationsreduktion zu den wichtigsten Medienleistungen. Diese besteht zum Beispiel darin, Nebenthemen und Inhalte, die als weniger wichtig empfunden werden, zu eliminieren. In einem Punkt geht die Medienleistung aber deutlich über Selektion und Reduktion hinaus: Das Mediensystem stellt das politische Geschehen in den Kantonen als wesentlich konfliktreicher dar als die kantonale PR dieses präsentiert. Im Vergleich zum Input verdoppeln sich die Konflikte in der Berichterstattung. Die Praxis der Akzentuierung von Konflikten bei der Transformation von PR-Input, die auch als Emotionalisierung des Politgeschehens verstanden werden kann, erfolgt wohl routinemässig im Hinblick auf eine Steigerung des Aufmerksamkeitspotenzials im Publikum.

Öffentlichkeitsarbeit setzt die Medienkonferenz ein, um wichtige Ereignisse und Themen zu kommunizieren. Sie übernimmt damit bereits eine Vorselektion für die Medien, denn nicht alle Regierungsratsentscheide sind gleich berichtenswert. Die Medien honorieren diese Vorleistung, in dem sie in der Regel über die Ereignisse berichten. Darüber hinaus ist der Nutzen dieser Vermittlungsform für die mediale Informationsleistung aber praktisch vernachlässigbar. Zwar nutzen die Medienschaffenden die Interaktionsmöglichkeiten im Rahmen der Medienkonferenzen ausgiebig, ein Niederschlag in der Berichterstattung lässt sich aber nur selten ermitteln. Nur gerade sechs Prozent der Beiträge enthalten inhaltliche Elemente, die auf Fragen im Rahmen der Medienkonferenz zurückgeführt werden können. Aus einer rein utilitaristischmedienökonomischen Betrachtungsweise macht daher der Besuch einer Medienkonferenz wenig Sinn. Viel effizienter wäre es – und die Online-Medien machen es vor – sich die Medienunterlagen auf elektronischem Weg zu beschaffen. Nun erfreut sich aber die Vermittlungsform der Medienkonferenz weiterhin grosser Beliebtheit. Der Schluss liegt also nahe, dass sie andere Funktionen erfüllt. Könnte es sein, dass die Medienkonferenz vor allem ein Ritual darstellt, zu dem sich die Akteure regelmässig versammeln, um ihre gegenseitige Verbundenheit zu demonstrieren? Um die Nähe zwischen PR und Medien auch physisch zu zelebrieren? Die regelkonforme Durchführung des Rituals, zu der u.a. gehört, dass nur Medienschaffende zugelassen sind, wäre dann quasi die Voraussetzung dafür, dass sich die erhofften Effekte auch einstellen. Für diese Interpretation spricht zumindest der merkwürdige Umstand, dass (halb-)öffentliche Medienkonferenzen ohne Exklusivcharakter für Medienschaffende im Unterschied zu den anderen praktisch keine Medienresonanz bekommen.

 

Entwicklungen in den letzten 20 Jahren

Soweit die Unterschiede der Erhebungsmethoden einen Vergleich zu den Ergebnissen einer 1986 durchgeführten Studie (GROSSENBACHER, René: Die Medienmacher, Solothurn 1989) über die Beziehungen zwischen Public Relations und PR zulassen, ist festzustellen, dass entscheidende Veränderungen, was diese Beziehung anbelangt, in den letzten 20 Jahren zweifellos nicht eingetreten sind. Die dynamischen Entwicklungen im Mediensystem, der Vormarsch der elektronischen Medien und des Internets, haben an den Strukturen dieser Beziehungen nichts Wesentliches verändert. Die damalige Feststellung, „was als journalistische Leistung in den Medien erscheint, ist meistens kaum mehr als das, was PR-Schaffende vorgefertigt haben“ (ebda, S. 95), gilt auch 2006 für die tagesaktuellen Medien unverändert. Die Hauptbefunde von 1986 – Themen- und Aktualitätsdiktat durch PR, geringe Kommentierungsleistung der Medien, Übernahme von Interpretationsmustern durch die Medien bei gleichzeitiger Neutralisierung der positiven Wertungen – können auch 2006 festgestellt werden. In mancher Hinsicht scheint sich aber die Situation noch akzentuiert zu haben. So hat sich bspw. die Tendenz der Medien, die Entstehung der Informationen zu verschleiern noch erheblich verstärkt. Korrekte Quellenangaben finden sich heute noch wesentlich seltener als vor 20 Jahren.

Eine wesentliche Änderung betrifft auch die Professionalität der behördlichen Öffentlichkeitsarbeit. 1986 hatte noch keiner der untersuchten Kantone journalistisch aufbereitetes Pressematerial an die Medien abgegeben. 20 Jahre später arbeiten diese ebenso professionell wie Wirtschaftsunternehmen. Diese Professionalisierung hat möglicherweise auch dazu geführt, dass die damals schlechte Wahrnehmung kantonaler Belange heute wesentlich besser ist. In einem weiteren Punkt hatte die Professionalisierung ebenfalls Konsequenzen: Es ist für die PRAkteure heute schwieriger geworden, die Outputleistung der Medien zu beeinflussen, da die Möglichkeiten der professionellen Aufbereitung des Informationsmaterials zum grossen Teil ausgeschöpft sind. Dies war 1986 noch überhaupt nicht der Fall, weshalb ein klarer Zusammenhang zwischen professioneller Materialaufbereitung und Berichterstattungsvolumen bestand. Heute kann die Outputleistung wohl am ehesten durch geschicktes Themen-Management beeinflusst werden. Dabei könnte allerdings die Gefahr bestehen, dass wichtige Anliegen auf der Strecke bleiben, weil sie für die Medien als zu wenig attraktiv beurteilt werden.

Was die Leistungen des Mediensystems anbelangt, ist festzuhalten, dass die Vervielfachung der Kanäle seit 1986, insbesondere durch die elektronischen Medien und das Internet, und die damit verbundene Verschärfung des Wettbewerbs nicht zur einer substanzielleren Medienleistung geführt haben. Was die Quellentransparenz anbelangt, ist sogar von einer Verschlechterung auszugehen. Allerdings haben insbesondere die Online-Medien und das Radio zu einer massiven Vermehrung der Berichterstattung geführt. Zunächst äussert sich dies in einer beschleunigten Reproduktion des Immergleichen. Diese trägt aber auch dazu bei, für die vermittelten Themen und Ereignisse Aufmerksamkeit zu schaffen, sie sozusagen auf die Agenda des Beachtenswerten zu setzen.

Dies geschieht allerdings um den Preis eines erheblich verschärften Aktualitätswettbewerbs, den die Online-Medien vorerst für sich entschieden haben. Aber allein die Tatsache, dass fast zwei Drittel der Online-Beiträge und gut die Hälfte der Radiomeldungen innerhalb von nur vier Stunden nach der Medienkonferenz publiziert werden, sagt schon viel über die Möglichkeiten dieser Medien aus, die Berichterstattung substanziell zu ergänzen. Es dürfte schwierig sein, innerhalb von so kurzer Zeit wesentliche neue Fakten zu beschaffen oder auch nur sich vertieft mit den Informationsmaterialien der Behörden auseinanderzusetzen. Es erstaunt daher nicht, dass die oft als wichtige Medienfunktion proklamierte Kommentierungsleistung wenn überhaupt dann in den Zeitungen gepflegt wird. Auch zusätzliche Recherchen realisieren die Zeitungen häufiger als die elektronischen Medien und Online, und auch was die Bearbeitung der Primärtexte betrifft, ist die Leistung der Printmedien klar grösser als die der übrigen Medien.

Somit kristallisiert sich eine Art von Leistungsdifferenzierung im Mediensystem heraus. Die rasche aktuelle und relativ nüchterne Information übernehmen die Online-Medien und das Radio. Das regionale Fernsehen wählt eine beschränkte Anzahl von geeigneten kantonalen Themen aus und reichert diese mit Emotionen an. Dabei bietet es insbesondere den Vertretern der Behörden eine willkommene Plattform zur Selbstdarstellung. Die Zeitungen schliesslich bieten (noch am ehesten) ergänzende Informationen und leuchten die Hintergründe aus. Ob sie dies in ausreichendem Masse tun und sich dadurch gegenüber den Online-Medien und den neuen Gratiszeitungen genügend profilieren können, ist aber fraglich, wie die Auflagenverluste der regionalen Abonnementszeitungen in den letzen Jahren nahe legen.

 

Politische PR in unterschiedlichen Medienkontexten und Medien

Es gehört zu den Hauptergebnissen dieser Untersuchung, dass der Umgang der Medien mit kantonaler politischer PR in den beiden untersuchten Kantonen grundsätzlich sehr ähnlich ist. Dies ist umso erstaunlicher, als sich die Mediensysteme Zürichs und St. Gallen bezüglich der Wettbewerbsintensität relativ stark unterscheiden. Aber offensichtlich wirken sich die strukturellen Gesetzmässigkeiten der Beziehung zwischen PR und Medien stärker aus als medialer Wettbewerb.

Zwei graduelle Unterschiede fallen dennoch auf: Zum einen ist die Resonanz der Medienkonferenzen in Zürich grösser als in St. Gallen. Soweit dieser Unterschied nicht themenbedingt ist, könnte die Wettbewerbssituation durchaus eine Rolle spielen. Man möchte vielleicht vermeiden, dass die Konkurrenz sich durch eine breitere Berichterstattung Vorteile verschafft. Trifft diese Interpretation zu, hätte Wettbewerb für den Bereich der kantonalen Politik, zumindest was den Umfang und die Breite der Berichterstattung anbelangt, positive Konsequenzen.

Zum anderen fällt auf, dass in St. Gallen die Medien noch behördenfreundlicher sind als in Zürich. Die Dominanz eines einzelnen Medienunternehmens dürfte diese Haltung noch begünstigen, zumal die gegenseitige Abhängigkeit relativ gross ist: Die Medien benötigen guten Zugang zu den lokalen Politikern, um ihre Arbeit korrekt erledigen zu können, andererseits sind diese auf das Wohlwollen der lokalen Medien angewiesen, wenn sie wieder gewählt werden wollen. Und nicht zu vergessen ist auch die wichtige Rolle, welche kantonale Politiker z.B. bei der Einflussnahme auf die Konzessionierungspraxis bei den elektronischen Medien nehmen.

Unter dem Aspekt des Gebührenprivilegs gebührt den Medien Radio und Fernsehen besondere Aufmerksamkeit. Auch die privaten Stationen begründen ihren Anspruch auf Gebührengelder ja mit dem Erbringen eines „Service public“. Bezogen auf die Berichterstattung über die im Projekt untersuchten Ausschnitte kantonaler Politik fällt das Fazit allerdings zwiespältig aus. Im Vergleich zu den Printmedien ist z.B. das Radio an den Medienkonferenzen der beiden Kantone deutlich weniger präsent. Die höchste Besuchsfrequenz erreichen zudem die Regionalstudios von Radio DRS. Beim Fernsehen gibt es Unterschiede zwischen den beiden Kantonen. In St. Gallen erscheint das Regionalfernsehen häufiger an den Medienkonferenzen als die Radios, in Zürich deutlich seltener.

Die Berichterstattung beim (privaten) Radio zeichnet sich v.a. durch Schnelligkeit bzw. Aktualität aus. Dabei kumulieren sich die verschiedenen Meldungen in den – meist stündlichen – Nachrichtenbulletins zu einer recht eindrücklichen Präsenz. Dadurch verschaffen die Radios den entsprechenden Themen eine hohe Aufmerksamkeit. Sie können ausserdem dem Geschehen mit O-Tönen eine gewisse Authentizität verleihen, wobei dies aber fast ausschliesslich in Form von Statements geschieht. Interviews z.B. kommen praktisch nie vor, ebenso wenig wie Kommentierung. Über die relativ stereotype Aufbereitung der Inhalte hinaus besteht die Leistung der (privaten) Radios v.a. in der Reduktion der Inhalte auf ein offensichtlich mediengerechtes Minimum. Inhaltliche Ergänzungsleistungen sind zwar mitunter feststellbar sie sind jedoch seltener als in den Zeitungen. Deutlich eigenständiger sind indessen die Leistungen der DRS-Regionaljournale.

Die Berichterstattung im regionalen Fernsehen unterscheidet sich vom Radio vor allem dadurch, dass weitaus weniger häufig und v.a. auch weniger prominent (Ausnahme: Tele Top) über kantonale Medienkonferenzen berichtet wird. Offensichtlich geniesst diese Thematik im Regionalfernsehen keine hohe Priorität. Wird aber über Medienkonferenzen berichtet, sind kaum inhaltliche Eigenleistungen zu beobachten. Neben der Wiedergabe der (unveränderten oder gekürzten) Primärtexte werden insbesondere Statements und kurze Interviews mit Regierungsmitgliedern ausgestrahlt, was insgesamt dazu führt, dass die TV-Berichterstattung noch behördenfreundlicher ist als die Primärtexte der kantonalen Medienstellen.

Gesamthaft betrachtet ist die inhaltliche Leistung der (privaten) Radio- und Fernsehstationen im Bereich der Berichterstattung über kantonale Medienkonferenzen noch bescheidener als die der abonnierten Zeitungen. Ihr Beitrag zum „Service public“ besteht somit primär darin, Öffentlichkeit für die Anliegen der beiden Kantonsregierungen herzustellen.

 

Divergierende Kräfteverhältnisse

Die Ergebnisse dieser Studie über politische Öffentlichkeitsarbeit in tagesaktuellen regionalen Medien zeigen klar, dass die Hauptfunktion der publizistischen Medien primär in der Selektion und Reduktion des von den PR-Akteuren bereitgestellten Informationsangebotes zu sehen ist. Damit verbunden ist aber auch eine Gewichtungsfunktion, die letztlich die Aufmerksamkeit des Publikums steuert. Die Rolle der Medien reduziert sich damit keineswegs auf diejenige eines Erfüllungsgehilfen organisierter Interessen. Indem die Medien bestimmen, ob und in welchem Ausmass Sachverhalte und Themen publikationswürdig sind, steht ihnen gegenüber den PR-Interessen ein überaus wirkungsvolles, disziplinierendes Instrument zur Verfügung. Dieses zwingt zudem die PR-Akteure zu einer Vorselektion und –reduktion der Themen und Informationen nach den Regeln des Mediensystems. Eine einseitig unkontrollierte Interessendurchsetzung ist unter diesen Umständen wenig wahrscheinlich. Allerdings ist angesichts der Verteilung der ökonomischen Gewichte zwischen PR und Medien und der fortschreitenden raschen Professionalisierung der Öffentlichkeitsarbeit damit zu rechnen, dass sich die Stärkeverhältnisse weiterhin zugunsten der PR verschieben. So muss insbesondere angenommen werden, dass letztere ihren Einfluss auszubauen versucht, indem sie sich zunehmend moderner Methoden des „Issue- Management“ bedient, um durch geschickte Themen-Selektion und –Aufbereitung die Wahrnehmungsfilter der Medien zu durchbrechen. Dass dies insbesondere in der Politik bestens funktioniert, demonstrieren immer wieder populistische Aktionen von gewissen Parteien und Politikern, die damit regelmässig eine hohe Medienaufmerksamkeit generieren.

Dabei stellt sich die Frage, inwieweit sich die Medienschaffenden dieser Zusammenhänge bewusst sind und welche Instrumente ihnen zur Verfügung stehen, um damit umzugehen. Wenn Selektion offenbar ihre Hauptfunktion ist, müssten sie die diesbezüglichen Kriterien systematisch hinterfragen und Mechanismen entwickeln, um den Vereinnahmungstendenzen durch professionelle PR-Akteure zu widerstehen. Inwiefern dies geschieht, ist allerdings äusserst zweifelhaft. Angesichts der Informationsflut wird es nämlich immer schwieriger, „objektiv“ zu ermitteln, was relevant ist und was nicht. Deshalb orientieren sich die Medien zunehmend an einer Art „Mainstream- Themenagenda“, was u.a. dazu führt, dass einzelne Themen kurzfristig stark dominieren (Sars, Raserunfälle, Kampfhunde, Minarette etc.). Themen, die gerade nicht „sexy“ sind, haben daher wenig Chancen, die Aufmerksamkeitsschwelle der Medien zu durchbrechen.

Der durch die Online-Medien noch verschärfte, ungeheure Aktualitätsdruck, dem die tagesaktuellen Medien heute ausgesetzt sind, akzentuiert diese Problematik noch und schwächt letztlich die Position der Medien gegenüber den organisierten Interessen. Einfache Handlungsroutinen und Orientierungsmuster treten deshalb an die Stelle eines reflektierten Umgangs mit interessierten Quellen. Das Resultat ist zwar ein Mehr an (redundanter) Information, aber ein Weniger an Tiefe, Reflexion und Hintergrund. Im Interesse einer funktionierenden Demokratie kann dies gewiss nicht sein.

 

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