Das westafrikanische Benin gehört zu den ärmsten Ländern der Welt und hat die freieste Presse Afrikas. Die fulminante Medienentwicklung in diesem Staat, die auch von der Schweiz unterstützt wird, ist allerdings nicht frei von Widersprüchen.
Während in Europa die Medienbranche über den Krebsgang der Printmedien jammert, schiessen andernorts Tageszeitungen wie Pilze aus dem Boden. Wer in Cotonou, der Metropole des westafrikanischen Benin, vor einem der zahlreichen Verkaufspunkte steht, hat die Qual der Wahl zwischen mehr als zwei Dutzend einheimischen Tageszeitungen. Insgesamt erscheinen täglich gegen 40 Titel in der gut eine Million Einwohner zählenden Stadt an der Atlantikküste. Diese Dichte an Titeln dürfte einen Weltrekord darstellen, und das in einem Land, in dem mehr als die Hälfte der Bevölkerung Analphabeten sind. Ebenso imposant sind die Zahlen zu den elektronischen Medien: Neben der staatlichen Rundfunkgesellschaft ORTB versorgen über 70 meist private Radios und 4 private Fernsehketten das acht Millionen Einwohner zählende Land, das mit einem Pro-Kopf-Einkommen von 473 Dollar zu den ärmsten Staaten der Welt gehört.
Freiheitliche Verfassung
Die Medien boomen nicht zuletzt deshalb, weil Benin die freieste Presse Afrikas hat. Im Freiheits- Ranking der Organisation Reporter ohne Grenzen belegt das Land den 23. Rang – gemeinsam mit Deutschland, aber weit vor den USA (53.) und seinem ehemaligen kolonialen Mutterland Frankreich (35.). Die blühende Medienlandschaft ist das Resultat einer politischen Entwicklung, die Anfang der 1990er Jahre einsetzte. Zuvor wurde Benin während zwanzig Jahren von Matthieu K´er ´ekou regiert, der sich 1972 an die Macht putschte und Benin ein sozialistisches System verpasste, das der Volksmund als «Marxisme-Beninisme» bezeichnete. Entsprechend waren die Medien in staatlicher Hand und dienten der Machterhaltung der korrupten Eliten. Dies änderte sich, als K´er ´ekou 1990 angesichts des drohenden Staatsbankrotts Reformen einleitete, die zu einem demokratischen Grundgesetz und freien Wahlen führten. Eine Errungenschaft der neuen Verfassung ist die Pressefreiheit, die von einer vom Staat unabhängigen Behörde (Haute Autorit ´e de l’audiovisuel et de la communication, HAAC) garantiert wird. Diese vergibt die Frequenzen an die Sender und wacht über die Einhaltung der berufsethischen Regeln. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen im März 2006 spielten die freien Medien eine wichtige Rolle und trugen wesentlich dazu bei, dass keiner der Kandidaten der grossen Parteien das Rennen machte, sondern der unabhängige Technokrat und ehemalige Präsident der Westafrikanischen Entwicklungsbank, Thomas Yayi Boni. Politik ist zentrales Thema in den Beniner Medien. Selbst die privaten audiovisuellen Unterhaltungsmedien verbreiten regelmässig politische Debatten und Kommentare – mit gelegentlich scharfer Kritik an den Behörden. Eine der populärsten Radiosendungen wird im Privatradio Golfe FM ausgestrahlt. Hörer können in die Sendung anrufen und auf Missstände hinweisen. Nicht immer werden die Grenzen zwischen sachlicher Kritik und persönlichkeitsverletzenden Diffamierungen respektiert, wie Verurteilungen durch die HAAC, aber auch Gerichtsverfahren gegen einzelne Journalisten zeigen. Dass dabei nicht nur journalistischer Übereifer gezügelt werden soll, erweist sich am Fall von zwei Medienschaffenden, die verhaftet wurden, weil sie versucht hatten, einen Beamten mit einer erfundenen Enthüllung zu erpressen.
Wirtschaftlich schwache Medien
Eines der Probleme der neuen Medienfreiheit ist denn auch in der De-Professionalisierung der Medienberufe zu sehen. Während unter der K´er ´ekou-Diktatur zwei Drittel der (staatlichen) Journalisten über eine journalistische Hochschulausbildung verfügten, ist heute die Mehrheit der über 1000 Medienschaffenden Benins ohne spezialisierte Ausbildung tätig und wird in den Redaktionen beruflich sozialisiert. Eine weitere nachteilige Folge der jähen Expansion ist die wirtschaftliche Schwäche der meisten Medien. So geraten sie, die anderen Korruptionsanfälligkeit vorwerfen, selber in Versuchung. Der gesamte nationale Werbemarkt Benins erzielt jährlich bloss etwa 5 Millionen Franken Umsatz. Der Staat steuert zwar noch 750 000 Franken bei, die über die HAAC verteilt werden. Doch genügt dies bei weitem nicht, um die Kosten der vielen Medien zu decken. Wirtschaftlich rentabel dürften daher bloss eine Handvoll Medienbetriebe sein. Zu diesen gehört etwa die LC2- Gruppe, die drei Fernsehsender betreibt und sogar Büros in Paris und New York unterhält. Geld verdient das Unternehmen mit seiner internationalen Sportkette, die Sportereignisse wie die afrikanische Champions League oder das Zurich Open in 44 frankophone Länder Afrikas ausstrahlt und Übertragungsrechte vermarktet.
Fragwürdige Einnahmequellen
Die Mehrheit der Zeitungen und Radiostationen lebt von der Hand in den Mund bzw. von Zuwendungen aus Kreisen der Politik und Wirtschaft, die diese für ihre eigenen Zwecke instrumentalisieren. Eine weitere Einnahmequelle sind Tagespauschalen, die Organisationen und Behörden an Medienschaffende ausrichten, damit diese über deren Ereignisse und Aktivitäten berichten. Diese subtile Form der Korruption haben nicht zuletzt die internationalen Entwicklungsorganisationen eingeführt, die dadurch ihre Präsenz in den Medien zu steigern suchten. Angesichts der miserablen Löhne ist es verständlich, dass die Journalisten gegen diese Art der Vereinnahmung keine grosse Widerstandskraft entwickeln. Auch die extreme Konzentration insbesondere der Printmedien und des Fernsehens auf die Metropole Cotonou widerspricht dem Ideal einer ausgewogenen Versorgung des nationalen Territoriums. Wohl versuchen Regierung und internationale Organisationen mit der Förderung des ländlichen Rundfunks ein gewisses Gegengewicht zu setzen. Auch die Schweiz bzw. die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) unterstützt zehn ländliche, kommunale Radiostationen technisch und administrativ mit insgesamt 700 000 Franken jährlich. Dadurch werden sie etwas vom wirtschaftlichen Druck entlastet. Da sie nicht selten über ein Informationsmonopol in ihrer Region verfügen, sind sie aber weiterhin Vereinnahmungsversuchen durch lokale Partikularinteressen ausgesetzt. Die Deza will auch die Alphabetisierung fördern. Der Widerspruch ist dabei mit Händen zu greifen: Alphabetisierung soll die Bevölkerung aus dem Ghetto der Oralkultur befreien, das gleichfalls geförderte Radio hält sie darin fest. Dafür erweitert es unter den neuen freiheitlichen Bedingungen die Mitsprachemöglichkeiten.
Co-Autor: Ulrich Saxer