Neue Werbeformen wie Split Screens, Product Placement oder Branded Entertainment erobern die TV-Welt. Eine Publicom-Studie zeigt auf, dass innovative Angebote den künftigen Werbemarkt in hohem Mass beeinflussen werden. Experten erwarten deshalb auch eine Umverteilung der Werbegelder.
„Marienhof“ und „Traumjob“ sind zwei Beispiele, wie TV-Produzenten auf mehr oder weniger geschickte Art versuchen, Werbung näher ans Programm zu bringen. Auch wenn die Aufsichtsbehörden inzwischen rigoros gegen „Schleichwerbung“ vorgehen, besteht kein Zweifel, dass der Trend zu vermehrter (legaler) Programmintegration noch deutlich zunehmen wird. Auch die Experten des Publicom-DELPHInariums verheissen den sogenannten Sonderwerbeformen eine grosse Zukunft.
Neue Formen der Publikums-Ansprache
Die auf Medienforschung und –beratung spezialisierte Publicom befragt zweimal jährlich rund 40 reputierte Medienfachleute in der Schweiz zu aktuellen Medienthemen. Die jüngste Runde befasste sich mit der Entwicklung des Werbemarktes in den nächsten drei Jahren. Dabei zeigt sich, dass die Experten eine Erholung erwarten. Insgesamt soll der Gesamtmarkt bis 2008 wieder deutlich wachsen. Von diesem Wachstum werden Internet und Fernsehen überdurchschnittlich profitieren, während die Printmedien weitere Marktanteile einbüssen. Als Hauptfaktoren der Entwicklung sehen die Medienfachleute diese Umverteilung von Werbegeldern und die neuen Werbeformen. Sie begründen dies mit einer gewissen Werbeverdrossenheit des Publikums und einem sinkenden Kosten-Nutzen-Verhältnis der klassischen Werbung. Es müssten neue Formen der Ansprache gefunden werden, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu gewinnen. Als Trendverstärker erweisen sich auch neue Technologien wie z.B. der Personal Video Recorder, die es ermöglichen, klassische TV-Spot-Werbung zu vermeiden.
Ob die Sonderwerbeformen die klassische Werbung in Bedrängnis bringen, ist weniger klar. Immerhin vertreten rund 40% der befragten Experten diese Ansicht, während eine etwas kleinere Gruppe dies von der Regulierungspraxis abhängig macht. Wie die jüngsten Ereignisse zeigen, herrscht hier zumindest grosse Unsicherheit, wo die Grenze des Erlaubten verläuft, und leider verspricht auch die Revision des Radio- und Fernsehgesetzes keine diesbezügliche Klärung.
60 bekannte Sonderwerbeformen in Radio und TV
Wie verbreitet Sonderwerbeformen in der Realität von Radio und Fernsehen bereits sind, zeigt eine Studie von Publicom und Infras, die im September abgeschlossen wird. Die von Bakom, Publisuisse und Publicadata finanzierte Studie identifiziert rund 60 verschiedene Formen, die sich von der klassischen Spot-Werbung unterscheiden und in der Medienpraxis bereits eingesetzt werden. Die Autoren der Untersuchung unterscheiden zwischen formal, inhaltlich und funktional integrierten Formen.
Formal integrierte Formen sind dadurch charakterisiert, dass sie – meist durch technische Mittel – formal vom übrigen Programm abgegrenzt sind, dieses aber nicht unterbrechen. Klassischer Vertreter dieses Typus ist der Spot im Split Screen. Dabei erscheinen Werbung und Programm zeitgleich in zwei Fenstern auf dem Bildschirm.
Werbecharakter nicht erkennbar
Der Typus inhaltlich integrierter SWF umfasst Werbeinhalte, die vollständig im Programm bzw. in der Handlung integriert sind. Typischer Vertreter ist das Product Placement. Der Werbecharakter dieser Formen ist für den Rezipienten in aller Regel nicht erkennbar. Ebensowenig ist dies beim „Branded Entertainment“ der Fall, wo ganze Handlungsabläufe und Geschichten um Produkte und Marken herum gebaut werden. In der Serie „Traumjob“ von SFDRS wurde dies mit Swisscom Mobile bereits vorexerziert. Funktional integrierte SWF sind solche, bei denen der Werbeinhalt zum eigentlichen Programminhalt wird. In besonders typischer Weise ist dies beim Teleshopping oder bei Infomercials der Fall.
Digitale Formenvielfalt
Zweifellos wird die Digitalisierung den Trend zu innovativen Werbeformen weiter beschleunigen, zumal auch z.B. Netzbetreiber oder die Anbieter sog. elektronischer Programmführer Werbeinhalte zuschalten können. Insbesondere wird es dann möglich sein, interaktive und zielgruppengenaue Werbeinhalte einzubauen. Welche Auswirkungen diese Entwicklung auf die Werbewirtschaft haben wird, ist noch ungewiss, sicher ist, dass alle Akteure, vom Regulator über die Programmveranstalter bis zu den Werbeagenturen vor bedeutenden neuen Herausforderungen stehen.