Mit Qualität aus der Krise

In: "Marketing & Kommunikation" 11/2003

Das neue Jahrhundert hat für die Fachmedien schlecht begonnen. Zur konjunkturellen Krise gesellen sich strukturelle Probleme. Ohne gezielte Investitionen in die Qualität, wird die Branche nicht aus der Baisse herausfinden.

In Zeiten der allgemeinen Informationsflut haben es die Fachmedien gut. Ihre Informationen sind nicht einfach „nice to have“, sondern ihre Nutzer sind auf deren Leistungen angewiesen. Sie sind nicht selten von existenzieller Bedeutung, denn seit das lebenslange Lernen angesagt ist, kann es sich keine Berufsperson mehr leisten, die Entwicklungen ihres Fachs zu ignorieren. Die Fachmedien befinden sich in der Pole-Position, wenn es darum geht, die permanenten Weiterbildungsbedürfnisse zu befriedigen. Ende des letzten Jahrhunderts war deshalb im Bereich der Fachpublikationen ein Boom ohnegleichen zu beobachten. Als Beispiel hierfür lässt sich das Internet-Wochenblatt „The Industry Standard“ heranziehen.

 

Von 0 auf 200 Mio. $ in zwei Jahren

Im April 1998 erstmals erschienen, enthielt es in der Blüte mehr als 300 Seiten wöchentlich, und der Jahresumsatz schnellte im Jahr 2000 auf schwindelerregende 200 Millionen Dollar. An solchen Beispielen zeigt sich doch, dass sich die Fachpresse um die Zukunft nicht sorgen muss. Tatsächlich? Leider spricht die Realität eine andere Sprache. „The Industry Standard“ hat im Herbst 2001 Pleite gemacht, und mit ihm ein paar andere Publikationen der sog. New Economy. Aber auch die Fachmedien weniger exponierter Branchen sind in den letzten Jahren massiv unter Druck geraten. Nicht nur der schlechten Wirtschaftslage wegen. Auch die Fachpresse befindet sich auf dem Weg in eine strukturelle Krise. Sie verliert zusehends ihre Autorität. Nicht bloss das Internet nagt an ihrer Substanz, sondern auch die Weiterbildungsindustrie und die Wirtschaftsmedien, die ihre Themenfelder laufend erweitern und manchen traditionellen Fachblättern das Leben schwer machen.

Die Fachpresse ist schlecht ins neue Jahrhundert gestartet. In Deutschland liegen ihre Werbeumsätze mittlerweile auf der Höhe von 1990. In der Schweiz verlor sie von 2000 bis 2002 über 20% ihres Anzeigenumsatzes, und in diesem Jahr beträgt das Minus schon wieder fast zehn Prozent. Auch die Zahl der Titel ist rückläufig. Der Verband Schweizerischer Werbegesellschaften zählte im letzten Jahr noch 995 Fachpressetitel, 17 weniger als zwei Jahre zuvor. Natürlich stehen auch andere Pressekategorien nicht besser da, aber das ist ein schwacher Trost, und es stellt sich die Frage: Wie weiter? Klar ist, die Werbevolumina der 90er Jahre werden so schnell nicht mehr zu erreichen sein. Mit grosser Wahrscheinlichkeit wird es zu Marktbereinigungen kommen. Die Überlebenschancen der dritt- und viertgrössten Titel eines Segmentes werden drastisch schwinden. Kleine und mittlere unabhängige Verlage werden es sehr schwer haben gegen die Branchenriesen. Die Fachverlage müssen sich daher auf einen anhaltend rauheren Wind einstellen und sich im Markt neu positionieren.

 

Geschäftsmodell „Fachpresse“ steht zur Disposition

Dabei geht es vor allem um strategische Fragen. Das Geschäftsmodell des Fachblatts steht per se zur Disposition. Die strukturellen Probleme kündigen sich nämlich schon seit längerem an. Denn auch in den guten Neunziger Jahren blieb das Anzeigenwachstum der Fachpresse hinter demjenigen anderer Medien und Werbeträger zurück. Grosse internationale Player haben längst verstanden, dass das künftige Produkt eines Fachverlags nicht mehr aus bedrucktem Papier, sondern aus hochwertigen Fachinformationen besteht. Der Kanal, über den diese Informationen zum Nutzer transportiert werden, ist dabei zweitrangig. Zum klassischen Printmedium gesellen sich nicht nur Online-Angebote, sondern in letzter Zeit vermehrt auch Aktivitäten im Seminar- und Messebereich. Einige haben sogar versucht, sich als Corporate Publishing Dienstleister zu etablieren. Allerdings zeigt die Erfahrung immer wieder, dass der Erfolg solcher Diversifikationen alles andere als programmiert ist. Zum einen begibt man sich in ganz neue Geschäftsfelder, die nach völlig anderen Gesetzmässigkeiten funktionieren, zum anderen sind nicht zu unterschätzende materielle Investitionen nötig. Besonders kleinere und mittlere Fachverlage dürften selten über die nötigen Mittel verfügen, um diese neuen Potenziale erfolgreich auszuschöpfen. Um ihre Zukunft zu sichern, bleibt den Fachverlagen aber so oder so keine andere Wahl als in die Qualität ihrer Kernprodukte zu investieren – und dies obwohl oder gerade weil der Kostendruck zunimmt.

 

Akzeptanz und Glaubwürdigkeit sind wichtigstes Kapital

Qualität hat aber im Mediengeschäft verschiedene Dimensionen: Intern müssen die organisatorisch-technischen Voraussetzungen stimmen. So gilt es zunächst einmal die Abläufe optimal zu organisieren. Die volle Digitalisierung des Workflows ist dabei sicher eine Grundanforderung. Doch dies genügt natürlich bei weitem nicht, um die Konkurrenzfähigkeit zu verbessern. Qualität muss ja vor allem am Produkt erkennbar sein. Dessen Attraktivität im Leser- und Inserentenmarkt entscheidet letztlich über den Erfolg. Doch viele Fachblätter haben sich in den letzten Jahren nicht konsequent genug weiterentwickelt . Sie werden noch immer lieblos abgefüllt, und dem Leser wird der Eindruck vermittelt, die redaktionellen Texte haben primär die Funktion, den Anzeigenteil aufzulockern. Der Einsatz von etwas Farbe genügt heute nicht mehr, um die immer flüchtiger werdenden Leserinnen und Leser zu fesseln. Auch ein Fachblatt muss funktional überzeugen, visuell attraktiv und gut geschrieben sein. Dass der Inhalt fachlich kompetent, innovativ und glaubwürdig sein muss, versteht sich ohnehin von selbst. Gerade letzteres wird aber zunehmend in Frage gestellt. Manche Fachmedien glauben, die Anzeigenbaisse mit vermehrten redaktionellen Konzessionen an die Inseratekunden überwinden zu können. Auf die Länge zahlt sich dies aber nicht aus. Die Leser sind nicht dumm, sie merken den Unterschied zwischen unabhängiger Fachberichterstattung und plumper PR und strafen Publikationen, die zwischen Redaktion und Werbeteil nicht zu unterscheiden vermögen, mit Nichtbeachtung. Damit ist aber auch den Werbekunden nicht gedient.

Das publizistische Qualitätsmanagement beginnt mit dem Hinterfragen des eigenen Produkts. Oft ist allerdings die blosse Binnensicht genau das Falsche. Betriebsblindheit und die Tendenz, das eigene Produkt vorteilhafter zu sehen als von aussen wahrgenommen, verstellen den Weg zu innovativen Lösungen. Die Produktanalyse sollte deshalb vor allem aus einem kritischen Blick von aussen bestehen. Dieser muss aber nachvollziehbare Ergebnisse liefern, das heisst auf objektiven Grundlagen beruhen und nicht auf geschmacklichen Einschätzungen. Unverzichtbar ist aber auch der Einbezug der Leserschaft. Sie ist letztlich die massgebende Instanz, die über Erfolg oder Misserfolg entscheidet. Leserbefragungen vor allem qualitativer Art liefern immer wertvolle Hinweise für die Weiterentwicklung eines Mediums. Sie helfen zudem, neue Ideen auf ihre Relevanz bzw. Akzeptanz zu testen und schaffen dadurch die Sicherheit, dass die Investitionen ins Produkt ihr Ziel auch erreichen.

 

Imageprobleme bei Werbetreibenden

Publizistische Qualität ist auch die Voraussetzung für den Erfolg im Anzeigenmarkt – es besteht sogar eine direkte Wechselwirkung. Die Fachpresse hat aber bei vielen Werbetreibenden ein Imageproblem. An einem kürzlich durchgeführten Round Table des deutschen Kommunikations-Fachblatts ‚Horizont‘ bezeichnete ein Mediaexperte die Fachpublikationen als eine „Dokumentation des Grauens„, weil Layout und Anzeigenumfeld „meist auf steinzeitlichem Niveau“ seien. Eine professionelle Fachkampagne würde in einem solchen Umfeld massiv an Wert verlieren.

Ein anderes Problem, das dem Image der Fachpresse bei Werbetreibenden ebenfalls nicht förderlich ist, sind die meist fehlenden Leistungswerte. Gerade in Zeiten der knapperen Werbebudgets überlegen sich Werbeauftraggeber genau, wo sie ihre Mittel investieren und was sie damit erreichen können. Zwar hat die Fachpresse mit dem QFZ-Siegel einen ersten Schritt in die richtige Richtung getan, aber längerfristig wird dies nicht genügen. Valide Reichweitenstudien und Gemeinschaftsuntersuchungen wird es nicht ersetzen. Die Fachpresse sollte wissen, dass solche Studien nicht nur Geld kosten, sondern insbesondere auch eine Chance darstellen, den Nutzwert des eigenen Produkts zu verbessern. Sie sind deshalb eine Investition in die Qualität und damit eine Investition in die Zukunft.

Produkte

  • MediaBrands

    Einzige Intermediastudie der Schweiz zur qualitativen Wahrnehmung und Nutzung von Medienmarken. Grundlage für eine erfolgreiche Markenführung und qualitatives Argumentarium für die Mediaselektion.

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    Instrument zur Schaffung eines umfassenden Überblicks über die Wahrnehmung der kommunalen Kommunikationstätigkeiten. Stellt die Voraussetzungen für Kommunikation her, die sich an die Bevölkerung richtet.

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  • Befragungen

    Qualitative und repräsentative Befragungen für Projekte in Medien und Kommunikation. Die Methode, telefonisch, online oder  face-to-face wird projektbezogen und je nach Anforderung eingesetzt.

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  • Reputationsmonitoring

    Differenzierte Analyse der Medienberichterstattung zu Unternehmen: Meinungsklima, Reputationsdynamiken sowie Themenentwicklungen erkennen und Kommunikationschancen nachhaltig nutzen.

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    Effizientes Instrument zur Problemexploration und für „work-in-progress“-Evaluationen, z.B. bei Neuausrichtungen und Konzepterneuerungen von Medienprodukten oder als Pre-Test für Kampagnen.

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    Organisation und Prozesse beeinflussen massgeblich das Medienprodukt. Publicom ist Bakom-Evaluator zur Qualitätssicherungs-Überprüfung bei Radio- und TV-Veranstaltern.

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    Für Erfolg in dynamischen Märkten bedarf es regelmässiger Konzeptüberprüfungen. Publicom verfügt über ein leistungsfähiges und bewährtes Instrumentarium zur konzeptionellen Evaluation analoger und digitaler Medien.

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  • ISAS BC/P 9001

    Internationale Qualitätsnorm für Medienunternehmen und Redaktionen, die ihre  Organisation und Prozesse systematisch auf Qualität ausrichten. Publicom begleitet kompetent bis zur Zertifizierung.

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  • CM Basic Check®

    Experten-Check zur Überprüfung von Unternehmens- und Fachmedien hinsichtlich Strategie, Publizistik und Kosten. Zeigt Stärken und Schwächen auf und liefert ein differenziertes Benchmarking.

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  • CP StandardTM

    Erfolgsnachweis für Kundenmagazine: Repräsentative Zielgruppen-Befragung liefert Benchmarks zu Nutzung, Akzeptanz, Zufriedenheit, Kommunikationsleistung und Kundenbindungseffekt.

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