Die Zukunft der Fachpresse hängt davon ab, inwieweit es ihr gelingt überzeugende Cross-Media-Strategien zu entwickeln. Entscheidende Bedeutung kommt dabei der Qualität des
Kernprodukts zu – und damit auch einem systematischen Qualitätsmanagement.
Mit dem verstärkten Aufkommen der elektronischen Information vor etwa fünfzehn Jahren sahen viele Branchenauguren bereits das Ende der herkömmlichen Fachzeitschriften heraufdämmern. Wer sollte noch gedruckte Fachzeitschriften lesen, wenn die gewünschten Informationen doch rascher, bequemer und gezielter über elektronische Datenbanken oder das Internet erschlossen werden konnten. Einige der grösseren Fachverlage engagierten sich deshalb frühzeitig und folgerichtig im Electronic Publishing. Doch die Prognose erwies sich als voreilig. Nicht nur zeigte sich die gedruckte Fachpresse als resistenter denn angenommen, sie profitierte sogar vom Elektronik-Boom, indem viele neue Titel entstanden, die sich mit eben diesen neuen Gebieten befassen. So waren auch in den letzten Jahren regelmässig mehr Neuerscheinungen als Titeleinstellungen zu registrieren.
Fachpresse unter Druck
Dennoch ist die Fachpresse heute gefordert. Der Druck kommt von mehreren Seiten. Zum einen beeinflusst die Wirtschaftsdynamik die Themen: Berufsfelder verändern sich und bedrohen die Existenzbasis der entsprechenden Titel. Auf der anderen Seite entstehen ganz neue Berufe und schaffen neue Chancen. Solche gründen auch in der Notwendigkeit zur permanenten Weiterbildung in den meisten Fachgebieten. Druck kommt aber auch von den Strukturveränderungen im Medienbereich selbst. Das Internet bietet fachlich definierten Communities neue attraktive Aktionsfelder und zieht auch Content-Provider an, die ausserhalb der etablierten Fachverlagsszene stehen. Diese binden mit ihren Angeboten Aufmerksamkeit der Nutzer und sicher auch Werbegelder. Letztere fliessen nicht mehr so reichlich in die Fachpresse. Der Boom der Wirtschaftspresse spielt hier ebenfalls eine Rolle. Die Wirtschaftspresse hat in den letzten zwanzig Jahren enorm an Attraktivität gewonnen und spricht heute breite Leserschichten an. Damit bietet sie auch Inserenten eine Plattform, die sich früher stärker auf die Fachmedien ausgerichtet haben.
Content Syndication – mehr als ein Nebengeschäft?
Es gibt in der Schweiz rund 1’800 Fachpressetitel. Wieviel es genau sind und welche Branchen diese abdecken, weiss niemand. Noch immer fehlt nämlich in der Schweiz eine Medienstatistik. Speziell im Bereich der Fachmedien sieht es besonders trist aus. So gibt es – im Gegensatz zu anderen Ländern – noch nicht einmal eine allgemein verbindliche Definition, was ein Fachmedium überhaupt ist. Fest steht, dass dieses Mediensegment äusserst heterogen ist und von hochspezialisierten Publikationen mit wenigen hundert bis zu Branchentiteln mit mehreren zehntausend Exemplaren Auflage reicht. Viele dieser Titel werden in den nächsten Jahren den rauheren Wind zu spüren bekommen. Sie tun gut daran, sich zu überlegen, ob und in welcher Form ihr Medium in fünf, zehn Jahren noch existenzberechtigt sein wird.
Ob dabei das alleinige Heil im Internet liegt, ist fraglich. Zwar steht ausser Zweifel, dass die Fachzeitschriften eine Internet-Strategie haben müssen. Weniger klar ist aber, wie diese aussehen soll. In Deutschland verfügen nunmehr rund drei Viertel aller Fachverlage über eigene Online-Angebote für ihre Titel, doch bloss jedes vierte davon arbeitet kostendeckend. Auf der Suche nach neuen Einnahmequellen steht deshalb seit kurzem ein neues Zauberwort am Horizont: Content Syndication – die Zweitverwertung von Inhalten. Es ist aber kaum anzunehmen, dass dies in absehbarer Zeit mehr als ein Nebengeschäft für die Fachverlage sein wird.
Es spricht somit viel dafür, dass Fachtitel in erster Linie eine überzeugende Cross Media Strategie entwickeln müssen. Dies ist dann der Fall, wenn ausgehend von einem starken, qualitativ hoch stehenden Kernprodukt sinnvolle elektronische Ergänzungsleistungen bereit gestellt werden. In der klugen, d.h. kundenorientierten Verbindung zwischen Print und Online dürfte daher der künftige Schlüssel zum Erfolg liegen. Das Printprodukt spielt in diesem Zusammenhang wohl noch für längere Zeit eine zentrale Rolle, und die Fachverlage dürften gut beraten sein, die Pflege ihres Kernproduktes nicht zu vernachlässigen.
Publizistische Kompetenz und Servicequalität immer wichtiger
Qualität hat für die Fachmedien drei Dimensionen: Fachkompetenz, publizistische Kompetenz und Servicekompetenz. Die Fachkompetenz bleibt das Rückgrat und die Legitimationsgrundlage für die Fachmedien – unabhängig davon, in welcher materiellen Form die Inhalte zur Verfügung gestellt werden. Während aber vor wenigen Jahren die Fachkompetenz noch ausreichte, um erfolgreich im Markt zu agieren, werden heute die beiden anderen Dimensionen immer wichtiger. Die Ansprüche der Leserschaft sind enorm gestiegen. Auch Fachzeitschriften werden heute an denselben Massstäben gemessen, die auch für Publikumsmedien gelten: Hohe Textqualität, ein attraktiv-funktionales Layout, ausdrucksstarke Bilder und eine spannende Heftdramaturgie gehören zu den „Musts“. Darüber hinaus muss eine Fachzeitschrift über einen hohen Nutzwert verfügen, damit sie für Leserinnen und Leser unverzichtbar wird. Denn erst die Unverzichtbarkeit macht sie zu einem unverwechselbaren Markenprodukt. Eine starke Marke bedeutet im Bereich der Fachpresse vor allem Glaubwürdigkeit. Die Marke steht für die Glaubwürdigkeit, Unabhängigkeit und Seriosität der präsentierten Inhalte. Mit diesem Kapital ausgestattet wird ein Fachmedium auch im Internet Erfolg haben, wenn es ihm gelingt, auf diesem Medium komplementäre Angebote bereit zu stellen.
Erfolgsfaktor Qualitätsmanagement
Qualität bedeutet sein Publikum ernst zu nehmen. Dies heisst nicht nur, das eigene Schaffen immer wieder selbstkritisch zu hinterfragen, sondern auch, das Produkt kontinuierlich, auf der Basis der Kundenbedürfnisse, weiterzuentwickeln. Dabei sind die Bedürfnisse der beiden Kundensegmente – Leser und Anzeigenkunden – gar nicht so unterschiedlich. Ein Fachpressetitel, der seine Glaubwürdigkeit bei den Lesern stärkt, ist auch für den Anzeigenkunden wertvoller. Periodische Konzeptüberprüfungen sind Bestandteil eines konsequenten Qualitätsmanagements. Allein in den beiden Jahren 1999 und 2000 wurde in Deutschland etwa jeder siebte Fachpressetitel einem Relaunch unterzogen und die Zeitintervalle zwischen den Konzeptanpassungen werden immer kürzer. Qualitätsmanagement beginnt am Produkt selbst, bei dessen Stärken und Schwächen. Die blosse Binnensicht ist dabei oft nicht sehr produktiv, weil die eigene „Betriebsblindheit“ den Blick auf Wesentliches oft gar nicht zulässt. Die Produktanalyse sollte deshalb auf einer möglichst objektiven Grundlage erfolgen und Aspekte struktureller, formaler und inhaltlicher Art verbinden, nach Möglichkeit unter Berücksichtigung der cross-medialen Ergänzungen.
Leserbefragungen – Professionalität hat Vorrang
Ein zweiter, ebenfalls unverzichtbarer Baustein eines Erneuerungsprozesses besteht im Einbezug der Leserschaft bzw. der Nutzer des Angebots. Deren Akzeptanz ist letztlich entscheidend für den Erfolg des Mediums. Wer erfahren will, wie sein Produkt bei der Zielgruppe ankommt, kann nicht darauf verzichten, diese danach zu fragen. Auch bei diesem Prozessschritt hat Professionalität Vorrang. Handgebastelte Fragebogen-Aktionen haben im modernen Medienmanagement keinen Platz mehr. Ob eine Leserbefragung repräsentativ sein soll oder eher qualitativen Charakter haben soll, hängt dabei von verschiedenen Faktoren ab. Wird Entscheidungssicherheit angestrebt, kann auf Repräsentativität nicht verzichtet werden. Genügt aber ein generelles Feedback, und liegt der Akzent ansonsten eher auf dem kreativen Prozess, eignen sich qualitative Verfahren wie die sogenannten Focus-Groups besser. Wichtig ist, dass die Abklärungen immer problemorientiert, d.h. mit Blick auf konkrete Handlungsoptionen erfolgen. Dies ist Voraussetzung für den letzten, entscheidenden Schritt des Qualitätsmanagements – die Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse. Wenn sich die Macher mit dem Produkt besser identifizieren können und die Leser einen höheren Nutzwert haben, wird dies wesentlich dazu beitragen, die Zukunft des Mediums auch in einem härteren Konkurrenzumfeld zu sichern.