Ein gesättigter Markt, grosszügige Budgets und das helvetische Qualitätsdenken sorgen in der Schweiz für hohe CP-Standards.
Autor: Daniel Steim, Projektleiter Corporate Publishing, Publicom AG
Gelten in der Schweiz andere Massstäbe für das Corporate Publishing als in Deutschland? Auf den ersten Blick würde man diese Frage eher verneinen. Im Erfahrungsaustausch unter den Mitgliedern des Forum Corporate Publishing stellen wir jedenfalls eine weitestgehende Übereinstimmung der Anforderungen und Vorgehensweisen fest. Allerdings ist bei näherer Betrachtungsweise doch festzuhalten, dass die Schweiz nicht nur in der Europapolitik sondern auch im Bereich des Corporate Publishing ihre Eigenarten hat.
Begrenzter Markt mit vielen Eigenheiten
Durch die Kleinräumigkeit des Landes ist der Markt besser überschaubar. Die Unternehmenskommunikation, sofern sie sich an Kunden im Inland richtet, lässt sich dadurch viel präziser auf das Zielpublikum ausrichten. Der kleine Markt wirkt sich natürlich auch auf die Auflagenzahlen aus. Tiefere Produktions- und Versandkosten sowie geringere Streuverluste begünstigen den Entscheid, eine Kundenpublikation herauszugeben.
Starken Einfluss auf die Akzeptanz der Unternehmenskommunikation hat die überdurchschnittliche Mediendichte mit über 2000 Publikums- Titeln in der Schweiz. Dies führt dazu, dass die Rezipienten tendenziell strengere Selektionskriterien kennen und erhöhte Ansprüche an die Professionalität der Publikationen haben. Es gilt also hohe Hürden zu überwinden, um ein Unternehmensmedium im gesättigten schweizerischen Medienmarkt erfolgreich etablieren zu können. Das typisch schweizerische Qualitätsdenken spielt auch im Bereich der Unternehmenskommunikation eine wichtige Rolle.
Sprachliche Empfindsamkeiten
Eine weitere Besonderheit ist die sprachliche und kulturelle Vielfalt des Landes. Sofern sich der Kundenkreis nicht in einer einzigen Sprachregion befindet, ist es fast unumgänglich mehrere Sprachversionen vorzusehen. Vor allem bei den Consumermagazinen wäre es geradezu fatal, ein französisch oder italienisch sprechendes Publikum mit einem rein deutschschweizerischen Magazin ansprechen zu wollen. Selbst wenn die entsprechenden Fremdsprachenkenntnisse vorhanden sind, würde dies als anmassend empfunden. Deshalb wird der Aufwand des Sprachwechsels auch bei sehr kleinen Auflagen nicht gescheut.
In Berücksichtigung der kulturellen Tradition und Empfindsamkeiten, werden oft auch die Themenschwerpunkte je nach Sprachregion unterschiedlich gesetzt. Die Vereinigung verschiedener Sprachen in einem Magazin bildet die Ausnahme und wird am ehesten in Mitarbeiterzeitschriften angewendet, gewissermassen als Ausdruck einer offenen, vielsprachigen Unternehmenskultur.
Trend zum Spezialistentum
Das Qualitätsdenken ist nicht nur bei der Leserschaft, sondern vor allem auch in den Kommunikationsabteilungen der Unternehmen sehr ausgeprägt. Entsprechend hoch sind die Ansprüche an Corporate-Publishing-Projekte. Die Konzeption und Realisation der publiszistischen Unternehmensmedien hat sich in der Schweiz zu einer Spezialdisziplin entwickelt, deren Bedeutung immer mehr zunimmt. Zwar werden entsprechende Dienstleistungen nach wie vor von Werbe- und PR-Agenturen, Kommunikationsberatern oder Druckereibetrieben angeboten. Immer häufiger sind speziell ausgebildete Fachleute in den Kommunikationsabteilungen von grossen Unternehmen oder in Kommunikationsagenturen für die Betreuung von Corporate-Publishing-Projekten verantwortlich. Der hohe Spezialisierungsgrad in der Schweiz ist auch an den Mitgliederzahlen des Forum Corporate Publishing erkennbar. Mit acht Mitgliedern sind die Eidgenossen in dieser Profi-Vereinigung im Vergleich zu Deutschland (27) und Österreich (2) trotz des kleinen helvetischen Marktes stark vertreten.
Grosskonzerne setzen Massstäbe
Einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die helvetische Corporate-Publishing-Kultur haben Schweizer Weltkonzerne wie zum Beispiel Nestle, ABB, Credit Suisse, SAirGroup oder SwissRe. Ihre starke internationale Ausrichtung und ihre strenge Wettbewerbssituation erfordern Topleistungen auf allen Ebenen, speziell auch in der Unternehmenskommunikation. Zwar werden die Projekte in der Regel von den Kommunikationsabteilungen der Konzerne betreut. Punktuell werden aber oft Spezialisten beigezogen, die einzelne Projekte mit dem „kritischen Blick von aussen“ analysieren oder begleiten und zusätzliches Know-how einbringen.
Da die Budgetvorgaben für Corporate-Publishing-Projekte auf Konzernebene in der Regel recht grosszügig sind, können die Grossunternehmen immer wieder mit Produkten aufwarten, die nicht nur bei Kunden oder Geschäftspartnern sondern vor allem auch in Fachkreisen der Kommunikationsbranche grosse Beachtung finden und Vorbild-Charakter haben. Ein Beispiel hierfür ist das Privatkundenmagazin „Bulletin“ von Credit Suisse, das sechs mal jährlich in den Sprachen Deutsch und Französisch produziert wird. Das besondere an diesem Magazin ist die Festlegung von thematischen Schwerpunkten, die nichts mit dem Kerngeschäft der Bank zu tun haben. So widmet sich beispielsweise die aktuelle Ausgabe dem Thema „Amerika“. Bemerkenswert ist, wie dieses Thema angegangen wird: Mit einem Interview mit Michail Gorbatschow über seine Beziehungen zu den USA, mit einem Hintergrundbericht über die amerikanische Wirtschaftskraft, mit einer Umfrage über das Image der USA bei der Schweizer Bevölkerung, mit einer geschichtlichen Aufarbeitung der amerikanischen Einflüsse auf das schweizerische Konsumverhalten und mit zahlreichen attraktiven und stimmungsvollen Fotos. Vor diesem Hintergrund erhalten ein Interview über die Bedeutung des amerikanischen Dollars als Leitwährung sowie weitere Finanzberichte eine bessere Akzeptanz bei der Leserschaft.
„The Knowledge-Company“
Perfektes Corporate Publishing pflegt der schweizerische Rückversicherungskonzern Swiss Re im B-to-B-Kontakt mit Versicherungsgesellschaften in der ganzen Welt. Die Übersicht über die Swiss Re-Fachpublikationen ist in einem 170seitigen Booklet, nach Themen und Sprachen geordnet, festgehalten. Insgesamt werden weit über hundert verschiedene Unternehmensmedien eingesetzt, um die Kunden und Geschäftspartner über Trends und Erkenntnisse im Versicherungsbereich und natürlich auch über das Unternehmen selbst zu informieren.
„Bei der Aufarbeitung der verschiedenen Themen orientieren wir uns einerseits am Markt, zum Beispiel bei einem vermehrten Auftreten von Erdbeben. Auf der andern Seite pflegen wir den Top-Down- Approach, indem wir Themen, die von strategischer Bedeutung sind, aufgreifen. Beide Vorgehensarten werden auf einander abgestimmt“, erklärt Fredy Schibli, Leiter Corporate Communications der Division Reinsurance & Risk, die thematische Ausrichtung der verschiedenen Publikationen.
Besonderes Aufsehen erregt die Fachpublikation „sigma“, die von Swiss Re vier mal jährlich in sieben Sprachen (inkl. japanisch und chinesisch) herausgegeben wird und Studien-Resultate sowie Hintergrund-Informationen über den weltweiten Versicherungsmarkt vermittelt. Der Grund für den Erfolg dieser Publikation liegt sicher nicht in der eintönigen Gestaltung und Aufmachung, sondern in der Exklusivität des Inhalts. Der Versicherungskonzern gibt in „sigma“ Know-how preis, das weltweit einzigartig ist und nicht nur von Versicherungsfachleuten, sondern regelmässig auch von Journalisten, Wirtschaftsleuten oder staatlichen Institutionen genutzt wird. „Mit der Wissensvermittlung generieren wir einen Image- Transfer, der uns auch schon den Begriff „The Knowledge-Company“ eingetragen hat“, stellt Stefan Müller, Senior Media Consultant bei Swiss Re fest.