Seit es die Fernbedienung gibt, gilt das Herumturnen zwischen verschiedenen TV-Programmen als Volkssport. Als Zapping, Switching, Grazing usw. werden diese Verhaltensweisen in der Fernsehforschung differenziert beschrieben. Anders beim Radio. Obwohl auch hier die Technik, die Programmwechsel erleichtert, weit verbreitet ist, haben die meisten Hörerinnen und Hörer immer ihr Lieblingsprogramm eingestellt und lassen sich auch durch störende Programminhalte nicht so rasch zum Umschalten verleiten.
Ein Team der Publicom und des ISSCom, Lugano, hat dieses Phänomen in der Deutschschweiz und im Tessin umfassend untersucht. Finanziert wurde das Projekt zur Hauptsache durch einen Förderungsbeitrag des Bundesamts für Kommunikation (Bakom), die SRG idée suisse unterstützte das Vorhaben ebenfalls.
Nur 10% schalten häufig um
Insgesamt befragte das von Ulrich Saxer und René Grossenbacher geleitete Team 600 repräsentativ ausgewählte Hörerinnen und Hörer telefonisch. Mit 60 sog. Wechselhörern (=Personen, die mehrere Sender hören) wurden persönliche Intensivinterviews durchgeführt. Als eines der wichtigsten Ergebnisse sticht hervor, dass sich die Radionutzung in den beiden Landesteilen trotz unterschiedlicher sprachlicher und kultureller Bedingungen sowie einer unterschiedlichen Mediensituation kaum unterscheidet. Das Radiopublikum richtet gleichzeitig verschiedene Ansprüche an die Leistungen eines Programms. Wichtig ist, dass der Mix stimmt: Die Musik muss dem Geschmack entsprechen, aber auch Informations- und Serviceleistungen sollen den Erwartungen genügen. Je nach Hörsituation ändern sich Bedarf und Zuwendungsintensität. Vom aufmerksamen Hinhören, z.B. bei Nachrichten, bis zum Weghören bei Werbespots sind alle Stufen möglich. Häufiges Umschalten auf einen anderen Sender kommt allerdings nur bei etwa zehn Prozent des Radiopublikums vor.
Wechselhörer finden sich in allen Bevölkerungsgruppen und Altersklassen, wenngleich die Jungen häufiger dazugehören. Wer das Programm wechselt, tut dies meistens, um unangenehme Empfindungen zu vermeiden oder um gezielt auf bestimmte Programminhalte zuzugreifen. Häufigstes Umschaltmotiv ist störende Musik. Gegenüber Werbespots ist das Radiopublikum aber erstaunlich tolerant. Kurzfristiges Umschalten bedeutet noch nicht die Abkehr vom Lieblingssender. Diesen wechselt man erst, wenn das Programm als Ganzes nicht mehr den Bedürfnissen entspricht.
Dennoch tun Radiostationen gut daran, der Hörerbindung grosse Beachtung zu schenken, denn wer seinem Lieblingsradio einmal den Rücken gezeigt hat, kehrt nicht mehr so rasch zu ihm zurück. Dabei erweisen sich neben einer zielgenauen Musikformatierung auch Massnahmen ausserhalb des Programms (wie etwa Eventsponsoring) als erfolgreich. Was die Macher hingegen als „Hörerbindung“ verstehen, ist oft das pure Gegenteil davon. Viele Hörer suchen das Weite, wenn telefonische Wettbewerbe und Spiele den Programmfluss unterbrechen.